
© Andreas Klaer
Von Eva Schmid: Aufstehen lernen
Wie Potsdamer Jugendliche einen kontinuierlichen Arbeitsrhythmus trainieren
Stand:
Morgens 8 Uhr in Babelsberg. Ein alter Linienbus biegt in die Hofeinfahrt der Gesellschaft für berufliche Aus- und Weiterbildung (GBA) ein. „Auf zum Jobcamp“, ruft der Busfahrer. Zwölf Jugendliche im Alter von 16 bis 25 Jahren folgen der Aufforderung. Im Bus wird geschwiegen, alle ringen mit der Müdigkeit. In Fahrland, auf dem Arbeitsgelände der GBA angekommen, beginnt ihr vierstündiger Arbeitstag. Heute werden in der Holzwerkstatt Gartenstühle und Holzpuzzle hergestellt.
„Die erste Hürde ist geschafft, wenn die Jugendlichen es schaffen, überhaupt so früh aufzustehen und hierher zu kommen“, erklärt Steffen Lerche, Leiter der Potsdamer GBA. Die Jugendlichen nehmen an einer so genannten Maßnahme mit Mehraufwandsentschädigung teil, besser bekannt als Ein-Euro-Job. Vor vier Jahren ist das „Jobcamp“ von der GBA in Zusammenarbeit mit der Potsdamer Hartz- IV-Agentur Paga gestartet.
Gründe für das Jobcamp: Schwierigkeiten in der Ausbildung. Viele der Jugendlichen im Jobcamp waren in ihren vorherigen Lehren unpünktlich, unzuverlässig und wenig motiviert. Doch genau Pünktlichkeit und Verantwortungsbewusstsein sind Kompetenzen, die für eine „erfolgreiche Integration in den ersten Arbeitsmarkt“ benötigt werden, so Steffen Lerche. Im Jobcamp werden diese Grundvoraussetzungen trainiert. Es gehe darum die Jugendlichen, die Schwierigkeiten mit ihrem Tagesrhythmus und in ihrer Berufsorientierung haben „sozial zu stabilisieren“, so Steffen Lerche.
Seine simple Losung an die Jugendlichen lautet: „Kommt pünktlich und haltet durch!“. Drei Monate dauert die Arbeitsmaßnahme, bei Krankmeldung oder unentschuldigtem Fehlen wird jeder Tag nachgeholt. „Wenn die Jugendlichen es geschafft haben täglich vier Stunden über 60 Tage zu arbeiten, dann schaffen sie es vielleicht auch, eine Ausbildung durchzuziehen“. Schaffen sie es nicht, weiß oftmals der Fallmanager von der Paga auch nicht mehr weiter.
Das einzige Mädchen in der Gruppe ist erst seit drei Tagen dabei: „Das Aufstehen ist hart, aber ich bin diejenige, die die anderen im Bus motiviert.“ Anstatt mit Maschinen zu arbeiten, nimmt sie den Bleistift und zeichnet die Holzpuzzle, welche die Jungs dann aussägen und schleifen. Ein Jugendlicher an einer nebenstehenden Werkbank gesteht: „Mir macht das Aufstehen keine Probleme mehr, ich bin ja schon seit August da und außerdem ist das doch wie im echten Leben, also wie auf Arbeit.“ Auch sein Nachbar an der Werkbank erzählt schüchtern, dass die Arbeit mit Holz echt Spaß mache und er gerne aufstehe.
Nicht immer gibt es diese positiven Reaktionen, besonders nicht am Anfang. Die Sozialpädagogin des Projekts, Rita Wrasse, muss sich in den Gesprächen oft anhören: „Für einen Euro arbeiten? Ich bin doch nicht bescheuert!“ Auch die Jugendlichen, die an diesem Morgen zum ersten Mal in Fahrland sind, reagieren gereizt auf die Frage nach dem Frühaufstehen. Und der Stuhl, den sie herstellen sollen, will nicht gelingen.
An der Werkbank gegenüber ruft ein aufgeweckter Junge den Meister. Lutz Stensitzki, der die Gruppe fachlich anleitet, kommt und staunt; in nur drei Stunden hat der Junge mit seinem Freund den Stuhl fertig gestellt. „Ich hab schon mal einen Berufsvorbereitungskurs für Holzverarbeitung gemacht“, erzählt er stolz und meint, im Gegensatz zu anderen Teilnehmern, dass ihn die Arbeit im Jobcamp weiterbringen wird.
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