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Landeshauptstadt: Augusta-Kapelle schon weiterverkauft

Landeskonservator: Stadt wurde bereits 2007 auf Denkmal aufmerksam gemacht – und antwortete nicht

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Nauener Vorstadt - Das Brandenburgische Landesdenkmalamt hat Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und die Stadt Potsdam bereits im vorigen Jahr schriftlich aufgefordert, bei der Nutzung der Kapelle des Kaiserin-Augusta-Stifts den besonderen Charakter des Denkmals zu berücksichtigen. Das erklärte Landeskonservator Detlef Karg gestern auf PNN-Anfrage. Ausgangspunkt des Schreibens seien Informationen gewesen, der Bauherr beabsichtige, die Kapelle für eine Wohnnutzung umzubauen.

Die Nachricht habe das Amt beunruhigt, denn bei diesem Raum könne es nicht nur um die Sicherung des Denkmalbestandes gehen; vielmehr sei auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass nach 1945 in der Kapelle durch das Sowjetische Militärtribunal aus meist nichtigen Gründen Todesurteile und langjährige Freiheitsstrafen in sibirischen Zwangsarbeitslagern gegen zahlreiche Häftlinge verhängt worden sind. Beachtet werden müsse ebenso der enge Zusammenhang mit dem nahe gelegenen ehemaligen KGB-Gefängnis Leistikowstraße 1. Dieses wird derzeit zu einer Gedenkstätte an die Opfer des stalinistischen Terrors ausgebaut und soll im Herbst eröffnet werden.

Wie Karg mitteilte, hat es auf das Schreiben an den Oberbürgermeister keine Antwort gegeben. Deshalb sei er davon ausgegangen, dass die Hinweise des Landesdenkmalamts von der Stadt berücksichtigt werden. Von der Absicht, die Kapelle nun doch als Eigentumswohnung zu vermarkten, habe er aus der Presse erfahren. „Danach soll offensichtlich gerade das passieren, was wir nicht wollen“, kommentierte er. Nun läge es an der Stadt Potsdam, dazu eine Entscheidung herbeizuführen. Erst danach könne das Landesdenkmalamt wieder aktiv werden, falls seine Forderungen nicht erfüllt werden.

Wie berichtet, wurde das Thema durch einen Dringlichkeitsantrag der Stadtverordneten Saskia Hüneke (Bündnis 90/Die Grünen) auf die Tagesordnung des Bauausschusses gesetzt, der gestern Abend turnusmäßig zusammentrat. Ein Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Allerdings wurde gestern bekannt, dass der Bauherr des Augusta-Stifts, die Prinz von Preußen (PvP) Grundbesitz AG, den „Gebets- und Andachtsraum im Kaiserin Augusta Stift als Sondereigentum an einen Investor verkauft hat“. Dies teilte PvP-Vorstand Theodor J. Tantzen gestern den PNN auf Anfrage mit. Insofern habe die Bauträgergesellschaft keinen Antrag auf Umnutzung der Kapelle als Wohnung gestellt. Hinsichtlich der künftigen Nutzung müsse der neue Eigentümer gefragt werden, so Tantzen. Wer dies ist, teilte er nicht mit.

Der Sprecher des brandenburgischen Kulturministeriums, Holger Drews, verwies gestern gegenüber den PNN auf die Verantwortlichkeit der Stadt und ihrer Unteren Denkmalbehörde. Das Ministerium sehe zurzeit keine Veranlassung, sich in den Streit einzuschalten.

Zu Wort gemeldet haben sich gestern auch der Verein Gedenkstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis Potsdam und die Opfervereinigung Memorial Deutschland e.V.. In einem Brief an Andreas Kalesse, Chef der Unteren Denkmalbehörde, schreiben sie unter anderem: Wie die Gedenkstätte Leistikowstraße habe „die Kapelle im Augusta-Stift einen ähnlichen, international bedeutenden Rang“ als Ort des Gedenkens an die Opfer, die aufgrund der stalinistischen Willkürjustiz erschossen oder durch langjährige Lagerhaft zu Tode gebracht wurden oder die nach langem Leiden schließlich überlebt haben, sei es in Bautzen oder Torgau oder im Gulag Workuta. Das Schreiben schließt mit den Worten: „Wir bitten Sie, uns umgehend mitzuteilen, dass eine Genehmigung zur Umwandlung dieser Kapelle in eine Wohnung wegen der internationalen Bedeutung des Ortes nicht erteilt werden kann.“ Das Schreiben wurde auch Kulturministerin Johanna Wanka (CDU), dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Bischof Wolfgang Huber, Oberbürgermeister Jakobs, dem Haus Hohenzollern und der Prinz von Preußen (PvP) Grundbesitz AG übermittelt, die das Augusta-Stift zu einer Wohnanlage ausbaut.

Erhart Hohenstein

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