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Landeshauptstadt: Augusta-Kapelle wird Dentallabor

Denkmalpflege will Innengestaltung sichern Werkstattwoche zum „Militärstädtchen Nr.7“

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Nauener Vorstadt – In die ehemalige Kapelle des Kaiserin-Augusta-Stifts am Neuen Garten soll ein Dentallabor einziehen. Diese Auskunft erhielt Richard Buchner, Vorsitzender des Gedenkstättenvereins Leistikowstraße, auf seine Nachfrage bei einer Diskussion am Dienstag in der Gedenkstätte. Unter dem Schirm der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten findet derzeit in der Leistikowstraße 1 eine Werkstattwoche statt. Deren vierter Tag war der Geschichte des sowjetischen „Militärstädtchens Nr. 7“, bis 1994 Geheimdienstzentrale der Russen für Deutschland oder gar für Europa am Neuen Garten gewidmet.

Buchner ging davon aus, dass die Option, die Kapelle im benachbarten Kaiserin-Augusta-Stift als Gedenkstätte zu öffnen, immer noch gilt. Die Ehefrau Wilhelms I. hatte 1872 ein Internat zur Erziehung von Töchtern im Krieg gefallener Offiziere und Geistlicher gegründet. Dazu gehörte eine Kapelle für die Andachten der Internatsschülerinnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte der sowjetische Geheimdienst die Kapelle als Gerichtssaal. Hier soll ein Militärtribunal politische Gefangene zu Lager- und Gefängnisstrafen und sogar zum Tode verurteilt haben. Eine historisch zuverlässige Aufarbeitung gibt es bisher nicht.

Noch im Jahre 2005, nachdem die Prinz von Preußen AG das monumentale Stift-Gebäude übernahm, hieß es, die sich über zwei Stockwerke erstreckende Kapelle könne als Denkmal erhalten werden. Inzwischen hat die Bauträgergesellschaft 44 Eigentumswohnungen in dem Haus geschaffen und die Kapelle weiterverkauft. Ihr Schicksal für eine mehr oder weniger profane Nutzung scheint besiegelt. Die Untere Denkmalbehörde würde lediglich die Innengestaltung sichern beziehungsweise dokumentieren, hieß es auf dem Werkstattgespräch. Vor zwei Jahren hatten Gerüchte, in der Kapelle entstehe eine Eigentumswohnung, einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die damalige Baubeigeordnete Elke von Kuick- Frenz (SPD) hatte eine Genehmigung dafür jedoch kategorisch ausgeschlossen. Wie sich die Pläne für ein Dentallabor mit dem Status der Kapelle als Denkmal in Einklang bringen lassen, konnte die Stadt auf Nachfrage gestern nicht sagen.

Auf der Veranstaltung am Dienstag kam unter anderem Lore Siebert, die zwei Jahre ihrer Kindheit am und im „Militärstädtchen“ verbracht hatte, zu Wort. Die 78-Jährige las aus Aufzeichnungen ihrer Mutter Marie-Luise Steinert, die zuerst als Dolmetscherin im KGB-Städtchen tätig war, am 14. August 1947 verhaftet und wegen angeblicher Spionage zu 15 Jahren Lager und Gefängnis in Karaganda und in der berüchtigten Moskauer Lubjanka, dem zentralen KGB-Gefängnis, verurteilt wurde. Zuvor saß sie, ohne dass die Angehörigen es wussten, wochenlang in einer Zelle des Gefängnisses in der Leistikowstraße. „Meine Mutter konnte das Haus Große Weinmeisterstraße 49, in dem wir wohnten, durch die Gitter hindurch sehen, doch wir wussten nichts“, berichtete Siebert.

Sonderführungen heute in der Leistikowstraße 1: 11.30 Uhr , 13 Uhr, 14.30 Uhr und 16 Uhr, 18.30 Uhr Gespräch über „Spionageabwehr im Geflecht der Geheimdienste“

Günter Schenke

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