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Von Nicola Klusemann: Aus dem Bauch heraus

Dr. Mojtaba Ghods, neuer Chefarzt für plastische Chirurgie, ist Spezialist für „freie Gewebelappen“

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Nachdem der apfelsinengroße Tumor zwischen seinen Schulterblättern entfernt worden war, klaffte im Rücken von Boje Dreessen ein unansehnliches Loch. Zum Beheben solcher großen Defekte gebe es deutschlandweit nur eine Handvoll Krankenhäuser. Seit dem 1. Oktober ist Potsdams Klinikum Ernst von Bergmann eines davon, sagt der Ärztliche Direktor Dr. Hubertus Wenisch.

Aufgebaut wird die Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Mikrochirurgie von Chefarzt Dr. Mojtaba Ghods, der gestern der Presse seine Arbeit vorstellte. Sein Spezialgebiet sei das Auslösen und Einsetzen sogenannter freier Lappen. Hier werden Haut-, Fett- und Muskelgewebe samt Gefäßen von einer in die andere Körperregion verpflanzt. Das Trennen und auch das Zusammennähen der Versorgungsbahnen mit hauchdünnen Fäden geschehe in sehr zeitaufwendigen Operationen unter dem Mikroskop. Boje Dreessens großer Rückendefekt wurde mit handflächengroßen Hautstücken aus der Hüfte aufgefüllt. Die zwei Operationen dauerten je sechs Stunden. Lange Narben verbinden jetzt die Schulterblätter des Patienten. Schmerzen habe er keine mehr, sagt er seinem behandelnden Arzt. Dreessen war Ghods“ erster Patient am Potsdamer Klinikum. Heute wird der Brandenburger seine dreiwöchige Kur in der Nähe von Strausberg beginnen.

In nur drei Wochen hat der neue Chefarzt bereits vier solcher Großlappen-Operationen vorgenommen. Das zeige den großen Bedarf, sagt der 43-jährige Mediziner. Der gebürtige Perser verließ seine Heimat, um in der Bundesrepublik seine Ausbildung zu machen. Nach seinem Studium der Humanmedizin in Heidelberg, arbeitete Ghods in der Schweiz, in Oldenburg sowie in Köln, wo er 2001 promovierte. Nach Stationen in Unna, einer Spezialklinik für Brandverletzungen in Halle und zuletzt im Brustzentrum in Berlin-Charlottenburg ist er Facharzt der Chirurgie, der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie sowie der Handchirurgie. Letzteres habe das Bergmann-Klinikum bisher auch nicht anbieten können, sagte Direktor Wenisch. Auch für die mikrochirurgische Effektdeckung habe man bisher die Patienten nach Berlin verweisen müssen. „Jetzt kommen sie von Berlin hierher“, sagt der Chefarzt der Plastischen Chirurgie und führt an das Krankenbett von Inse Koepke. Bei der jungen Berlinerin spannte sich nach mehreren operativen Eingriffen eine lange schmerzhafte Narbe über den Bauch. Außerdem fehlte der Bauchnabel. „Dr. Ghods war mir von meinem Operateur empfohlen worden“, sagt Koepke. Der Chirurg rekonstruierte aus Beinlappen die Bauchfläche. Schon jetzt, wenige Tage nach der OP ist die junge Berlinerin froh. „Wenn die Narben verheilt sind, habe ich wieder einen vorzeigbaren Bauch“, so Inse Koepke.

Aus vier Säulen bestehe sein Bereich. Etwa 20 Prozent machten darin die Ästhetische Chirurgie aus. Er gebe beispielsweise bei einem Brustaufbau nach Amputation der Patientin das Gefühl zurück, eine Frau zu sein, sagt Mojtaba Ghods. Silikonimplantate wirkten meist kühl, eine Brust aus gefäßdurchzogenem Bauchfett hingegen ganz natürlich. Aber auch wenn heute chirurgisch fast alles möglich sei, würde er dennoch nicht alles machen. Als angestellter Mediziner müsse er nicht so sehr auf die wirtschaftlichen Erträge achten. „Ich entscheide nach ethischen Gesichtspunkten“, sagt Ghods.

Der engagierte 43-Jährige ist Mitglied in mehreren chirurgischen Vereinigungen. Unter anderem auch bei der Interplast Germany. In dieser Organisation verpflichteten sich die Mitglieder, pro Jahr drei Kinder aus der Dritten Welt in Deutschland kostenlos zu operieren. Der Chefarzt will darüber hinaus demnächst eine Stiftung gründen, die sich der medizinischen Versorgung von Menschen aus armen Ländern annimmt, kündigt er an.

Tag der offenen Tür in der Abteilung Plastische Chirurgie im Klinikum Ernst von Bergmann am 29. November von 11 bis 17 Uhr

Nicola Klusemann

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