Landeshauptstadt: Aus der Anonymität herausholen
Im Bürgerhaus am Schlaatz wurde gestern in Beisein von Bürgermeister Exner eine Ausstellung über verschuldete Menschen eröffnet
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Am Schlaatz - Ein unangenehmes Thema in den öffentlichen Fokus zu rücken – das ist das Ziel der Fotoausstellung „Zwischen Mut und Verzweiflung – Es geht weiter“, die gestern im Bürgerhaus am Schlaatz eröffnet wurde. Der Fotograf Mathias Richter porträtierte 15 verschuldete Menschen in eindringlichen Schwarz-Weiß-Bildern und ließ sie in wenigen Sätzen ihre Geschichten erzählen. Damit gab er der zunehmenden Verschuldung, die in Deutschland mittlerweile drei Millionen Haushalte betrifft, ein Gesicht.
„Es ist wichtig offen zu machen, was sonst im Verborgenen stattfindet“, sagte Marcel Kankarowitsch, Geschäftsführer des Diakonischen Werks Potsdam, am Rande der kleinen Eröffnungsfeier, die von Saxophonist Mario Hermann musikalisch begleitet wurde. Gemeinsam mit der evangelischen Sternkirchengemeinde hatte sich die Diakonie darum bemüht, die Ausstellung in das Bürgerhaus zu holen. Denn gerade in den nahe gelegen Neubauwohngebieten gäbe es viele Menschen, die von dieser Problematik betroffen sind, so Kankarowitsch. Ralf Brückner von der Sternkirchengemeinde wurde noch deutlicher. „Wir wollen die Betroffenen hinter dem Ofen vorlocken“, sagte er.
Die zunehmende Verschuldung der Gesellschaft sei eng verbunden mit der steigenden Zahl der Arbeitslosen. Sie sei ein schleichender Prozess, der von den Betroffenen selbst erst relativ spät ernst genommen werde, sagte Bürgermeister Burkhard Exner, der in Vertretung für Jann Jakobs kam. Mit dem Problem der Verschuldung kennt er sich als Anwalt gut aus. Oft könnten Schuldner den Anstieg der Forderungen verhindern, wenn sie zum Beispiel Einspruch gegen einen Mahnbescheid der Gläubiger einlegen würde. Viele wüssten das allerdings nicht. „Die Betroffenen selbst müssen rechtzeitig aktiv werden“, so Exner.
Zugleich verwies er darauf, dass insbesondere die Zahl der verschuldeten so genannten jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 27 Jahren in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sei: Waren es 2002 noch 57 Anträge auf Übernahme von Miet- oder Energieschulden, so betrug die Zahl im vergangenen Jahr bereits 132. Seit 2002 sind es insgesamt jährlich 440 solcher Anträge, die bei der Stadtverwaltung eingehen. In 25 Prozent der Fälle handelt es sich dabei um Familien mit Kindern oder allein Erziehende. Als Grund dafür vermutet Exner „die Verführungskünste der Konsumgesellschaft“ sowie „Defizite in der Fähigkeit mit Geld umzugehen“. „Das ist ein sehr ernsthaftes Thema, das aus der Anonymität herausgeholt werden muss“, sagte der Bürgermeister vor den anwesenden Besuchern.
Zu sehen ist die Ausstellung noch bis Ende März zu den üblichen Öffnungszeiten des Bürgerhauses. Geschäftsführerin Barbara Rehbehn hofft, dass sich einige der Ausstellungsbesucher angeregt durch die Bilder vielleicht mit ihren eigenen Problemen auseinander setzen und Hilfe suchen werden. Eigens für sie bietet das Bürgerhaus zeitgleich zur Ausstellung eine zusätzliche Schuldnerberatung. Diese ist dienstags, mittwochs und freitags von 9 bis 13 Uhr geöffnet. hey
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