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Landeshauptstadt: Aus eigener Kraft keine dauerhafte Konsolidierung möglich

Der Potsdamer PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg über Finanzen, Kulturpolitik, Wahlprogramm und Wahlchancen

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Der Potsdamer PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg über Finanzen, Kulturpolitik, Wahlprogramm und Wahlchancen Herr Scharfenberg, die PDS-Umfrage zum Stadtschloss hat ergeben, dass sich 48 Prozent der Potsdamer ein Stadtschloss vorstellen können – ein hoher Wert. Zugleich aber haben die Umfrageteilnehmer deutlich gemacht, dass für sie der Wiederaufbau des Stadtschlosses nicht an erster Stelle in der Prioritätenliste steht. Fühlen Sie sich in ihrer stadtschloss-kritischen Haltung bestätigt? Ich bin schon überrascht, dass 48 Prozent der Potsdamer die Bebauung des Alten Marktes mit dem Stadtschloss verbinden. Man muss aber auch sehen, dass es momentan keine Alternative zur Gestaltung des Alten Marktes gibt. Also wird die Bebauung am Stadtschloss festgemacht. Entscheidend ist für mich aber, dass selbst ein Großteil der Befürworter des Stadtschlossaufbaus sagt, es gibt derzeit andere Prioritäten in der Stadtentwicklung. Man sollte sich also davor hüten nur zu sagen, dass es entweder Befürworter oder Gegner des Schlosses gibt. Da gibt es viele Nuancen. Meine kritische Haltung, die auch in der Partei vorherrscht, ist durch das Ergebnis der Umfrage nicht infrage gestellt worden. Der Wiederaufbau des Stadtschlosses stand nur an siebenter Stelle in der Prioritätenliste der Befragten. Welche Themen führen denn die PDS-Prioritätenliste im Kommunalwahlkampf an? An der Spitze unseres Wahlprogramms steht das Thema Arbeit. Das verbinden wir unmittelbar mit der Wirtschaftsförderung, wobei wir immer Wert darauf gelegt haben, dass Wirtschaftsförderung in Potsdam vorangebracht wird. Wir werden dieses Thema auch weiter in den Mittelpunkt stellen – mit dem Ziel Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Aber auch die Themen Schulen und Kitas werden im Wahlkampf einen hohen Stellenwert haben. Wir treten ein für die Modernisierung und möglichst gute Ausstattung von Einrichtungen für Kinder und Jugendliche – denn das sind Investitionen in die Zukunft. Und denen muss man auch Priorität geben, was übrigens in Übereinstimmung mit unserer Umfrage steht. Richtig, in der Prioritätenliste steht die Sanierung von Schulen und Kitas ganz oben. Die Kultur war da nach den ersten Erkenntnissen nicht zu finden, war aber schon immer ein Schwerpunkt von PDS-Politik. Allerdings sind da in letzter Zeit neue Töne zu hören. So haben PDS-Vertreter im jüngsten Finanzausschuss angesichts der Haushaltsmisere von Prioritätensetzung auch bei der Kultur gesprochen und davon, dass man sich wohl nicht mehr alles wird leisten können. Ist das ein Zeichen von Umdenken, Einsicht oder Resignation? Die PDS-Fraktion besteht aus 15 Mitgliedern. Und wer da annimmt, die Fraktion würde immer nur mit einer Stimme sprechen, der liegt schief. Auch bei uns gibt es kontroverse Diskussionen – entscheidend ist aber, welche Grundlinie wir im Ergebnis einer solchen Diskussion verfolgen. Und da meine ich, dass die PDS-Fraktion in der Vergangenheit nachgewiesen hat, dass sie konsequent für die Förderung der Kultur in Potsdam eintritt und dafür, dass sich Potsdam als Stadt der Kultur profiliert. Deshalb haben wir ja den Antrag eingebracht, dass sich Potsdam als Kulturhauptstadt Europas 2010 bewerben soll – weil wir das auch als eine Grundsatzentscheidung für die nächsten Jahre verstehen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Stadtentwicklung. Natürlich hört es sich schön an in Wahlkampfzeiten Versprechungen zu machen. Letztendlich muss das Geld dafür irgendwo herkommen – auch wenn die finanzielle Situation, in die Potsdam jetzt geraten ist, zum Teil auch unverschuldet ist. Natürlich können wir uns hier keine Wunschwelt zusammen bauen. Wir müssen also genau überlegen, wie wir mit den vorhandenen Mitteln am besten wirtschaften können. Das ist ein Grundsatz, nach dem jeder Kommunalpolitiker handeln sollte. Aber wenn wir uns die Kultur mal anschauen, dann steht dieser Bereich von vornherein unter dem Vorzeichen, dass er eine so genannte freiwillige Aufgabe ist. Der Oberbürgermeister hat ja in seiner Grundsatzerklärung vom Frühjahr zum Ausdruck gebracht, dass er bei der Kultur am ehesten Sparpotenzial sieht. Das ist nach meiner Ansicht der falsche Ansatz. Natürlich können wir nicht Mittel in Größenordnungen aus dem sozialen Bereich herausziehen und in die Kultur hineingeben. Auch im Kulturbereich muss gespart werden. Es darf aber nicht im Übermaß geschehen. Insbesondere muss darauf geachtet werden, dass die Kultureinrichtungen eine Chance haben weiter zu existieren. Mit Blick auf das Jahr 2010 haben wir eine riesige Verantwortung, das Augenmaß zu wahren. Zumal in den vergangenen Jahren bei der Kultur schon in Größenordnungen gekürzt worden ist. Deshalb bleibt es auch bei unserem Antrag, die Haushaltssperre bei den freien Trägern von elf auf zwei Prozent zu senken. Damit stellen Sie sich gegen den Finanzbeigeordneten von der SPD, der vor dem Unterlaufen der Haushaltssperre warnt. Ist denn im Wahlkampf auch tatsächlich ein Kampf um die Wählergunst zu erwarten? Immerhin macht der Oberbürgermeister – obwohl er bei der Wahl im letzten Herbst nur knapp gegen Sie gewonnen hat – einen allgemein anerkannt guten Job. Wo will denn die PDS Akzente setzen, Unterschiede zu anderen Fraktionen markieren? Das geht zunächst über Personen. Wir sind in der guten Situation, dass wir Spitzenkandidaten aufgestellt haben, die über zum Teil langjährige Erfahrung als Kommunalpolitiker verfügen, die nachgewiesen haben, dass sie sich für die Stadt engagieren, die auch ziemlich bekannt sind. Das werden wir natürlich in die Waagschale werfen. Und dann natürlich unser Programm. Wir wollen deutlich machen: Diese Stadt hat gute Entwicklungschancen und eine gute Bilanz vorzuweisen. Wir haben zum Beispiel die höchsten Durchschnittseinkommen der neuen Länder. Unter diesen Bedingungen ist es ganz wichtig, die soziale Komponente mit dem entsprechenden Stellenwert zu versehen. Wir müssen immer daran denken, dass vielen Gutverdienenden in der Stadt eine wachsende Zahl von Potsdamern gegenüber steht, denen es nicht so besonders geht, die am Existenzminimum stehen. Den Gedanken des sozialen Ausgleichs unter den konkreten Bedingungen der Stadt werden wir weiter verfolgen und offensiv vertreten. Die Politik von Bund und Land müsste ihnen doch entsprechende Wahlkampfmunition bieten? Ich hoffe darauf, dass die Potsdamer im Rahmen des Wahlkampfes einen kühlen Kopf bewahren und sich immer vor Augen führen, wer denn auf Bundesebene und auf Landesebene seit Jahren die Regierung stellt und die Grundlinien der Politik bestimmen kann. Wir müssen mit aller Deutlichkeit sagen: Die rot-grüne Bundesregierung hat eine Gemeindefinanzreform angekündigt – das, was dabei herausgekommen ist, ist ein Nullsummenspiel. Und die Landesregierung aus SPD und CDU hat zu Beginn der Legislaturperiode angekündigt, ein Finanzausgleichsgesetz für die Kommunen vorlegen zu wollen. Jetzt hat sich Innenminister Schönbohm gedacht, er könne im Sommerloch geschickt verkünden, dass dieses Gesetz in dieser Wahlperiode nicht mehr kommen soll. Wo war der Widerstand gegen die Pläne? Die PDS hat in der Stadtverordnetenversammlung mehrfach Protest artikuliert und es auch geschafft, dass sich die Stadtverordnetenversammlung gegenüber dem Land positioniert. Ich halte das für sehr wichtig. Da die öffentlichen Mittel zuerst auf Bundesebene, dann auf Landesebene verteilt werden, bleiben zum Schluss nur noch die Kommunen übrig und müssen nehmen, was sie kriegen können. Deswegen ist es notwendig, dass kommunale Interessen auch mit entsprechender Energie vertreten werden. Und da behaupte ich mal, dass der SPD wie auch der CDU die Hände gebunden sind. Wenn zudem die Pläne der CDU, den Hauptstadtvertrag 2007 auslaufen zu lassen, Realität werden, dann wird das hier in Potsdam sehr schwierig. Das sind immerhin fünf Millionen Euro. Die PDS setzt sich dafür ein, dass die Landeshauptstadt auch weiterhin eine entsprechende Unterstützung erhält, eben weil es nicht nur für die Stadt selbst, sondern für das Land wichtig ist. Ich erwarte von der Potsdamer CDU, dass sie sich da ganz deutlich positioniert, und vom SPD-Ministerpräsidenten Platzeck, dass er auch mit Blick auf seine vorherige Stellung als Potsdamer Oberbürgermeister seiner Verantwortung gerecht wird. Von SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs gibt es durchaus kritische Worte in Richtung Landesregierung. Ich meine, dass Herr Jakobs energischer auftreten könnte. Denn die Stimme der Landeshauptstadt ist schon von großem Gewicht. Unsere Aufgabe als PDS ist es, da entsprechenden Druck auszuüben. Aber auch wenn sich die Rahmenbedingungen für Potsdam verbessern sollten, bleibt es dabei, dass eigene Sparanstrengungen unternommen werden müssen. Wo sehen Sie noch Möglichkeiten zum Sparen? Sparen wird immer schwieriger, weil wir ja bereits seit ein paar Jahren mit einem Haushaltssicherungskonzept arbeiten. Und dieses Konzept hat zur Folge, dass die zur Verfügung stehenden Mittel immer mehr reduziert worden sind, wodurch auch die Sparmöglichkeiten immer geringer werden. Ich meine aber, dass wir im Verwaltungshaushalt schon noch Reserven haben und verbinde mit der Verwaltungsreform die Erwartung, dass man dabei dauerhaft Mittel sparen kann. Das Hauptproblem ist aber, dass man die Einnahmeseite stabilisieren muss. Wir haben in dieser Hinsicht kein schlechtes Niveau, aber in diesem Jahr sind die Einkommenssteuer und die Gewerbesteuer weggebrochen – das darf kein Dauerzustand sein. Deshalb steht eben bei uns das Thema Arbeit an erster Stelle. Was tut die PDS konkret für die Schaffung von Arbeitsplätzen? Ich behaupte, dass die PDS im Unterschied zu anderen Fraktionen an dieser Stelle wirklich aktiv geworden ist. Im vergangenen Jahr haben wir gesagt, dass das Wirtschaftsförderkonzept – das 1998 auf unsere Initiative hin verabschiedet wurde – überarbeitet werden müsste. Jetzt freue ich mich, dass das überarbeitete Förderkonzept vorgelegt worden ist und wir darüber diskutieren können. Was dort festgeschrieben ist wird weiterhelfen, unter unseren konkreten Bedingungen eine höhere Effektivität der Wirtschaftsförderung zu erreichen. So wurde im Frühjahr der Investorenservice als eine Anlaufstelle für alle Investoren geschaffen. Ja, obwohl ich nicht weiß, ob das der Weisheit letzter Schluss ist. Aber es gibt deutliche Schritte in die richtige Richtung. Das geht bis dahin, dass die Mittel für das Zinssubventionierungsprogramm für kleine Unternehmen sogar erhöht werden. So kann man mit städtischen Mitteln einheimischen Firmen ganz konkret helfen. Das sind keine Riesensummen, aber sie verfehlen ihre Wirkung nicht. Doch wenn sich der Finanzrahmen nicht ändert, werden wir auch noch in zehn Jahren über ein strukturelles Haushaltsdefizit reden und über hohe Schulden. Das ist einfach so. Wir werden aus eigener Kraft und selbst durch einschneidendes Sparen keine dauerhafte Haushaltkonsolidierung hinbekommen. Welche Zielstellung verfolgt ihre Partei für den 26. Oktober. Will die PDS an der SPD vorbei ziehen und wieder stärkste Fraktion werden? Eine solche Aussage wird man mir nicht entlocken. Wir haben das Ziel, das Ergebnis von 1998 zu halten und möglichst zu verbessern. Damals hatten wir 32 Prozent der Stimmen und errangen 16 Sitze. Inwieweit ist die bevorstehende Eingemeindung und die Tatsache, dass die Bürger von sieben neuen Ortsteilen am 26. Oktober mit wählen werden, für Ihre Partei von Bedeutung. Das sind immerhin keine PDS-Hochburgen. Zunächst einmal ist die Eingemeindung der sieben Orte eine Verpflichtung für unsere Stadt. Das resultiert schon daraus, dass sich das Gros dieser Gemeinden gegen den Zusammenschluss mit Potsdam entschieden hat. Wir müssen das als Ausgangspunkt einfach vor Augen haben, denn daraus ergeben sich höhere Anforderungen – wenn wir wirklich wollen, dass sie Teil dieser Stadt werden. Auf keinen Fall dürfen dauerhaft Differenzen entstehen. Was muss für Integration getan werden? Diese Gemeinden waren über einen langen Zeitraum eigenständig und sollten als Potsdamer Ortsteile auch eine Eigenständigkeit bewahren können. So sollten Ortsbeiräte einen hohen Stellenwert erhalten, auch wenn ihre Rechte nach der Kommunalverfassung nicht so stark sind. Es kommt vielmehr darauf an, wie man mit den Beiräten umgeht, ob man sie respektiert und ihnen eine Chance gibt, eine eigenständige Interessenvertretung wahrzunehmen. Das ist die Richtung, die die PDS ganz stark begleiten wird – mit den entsprechenden Forderungen. Es wird natürlich nicht von heute auf morgen gelingen, dass sich die Bewohner dieser Ortsteile als Potsdamer fühlen, aber es wird ein entsprechender Prozess in Gang kommen. Und die Chancen der PDS? Es fällt mir schwer diesbezüglich Prognosen abzugeben. Aber ich gehe davon aus, dass die PDS auch in solchen ländlichen Bereichen in der Lage sein wird zu zeigen, dass sie in Potsdam eine starke politische Kraft ist. Und dass das von den Wählern honoriert wird. Das Gespräch führte Michael Erbach.

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