
© Matthias Hiekel, dpa
Landeshauptstadt: Ausgebucht bis März
Eine Hebamme in Potsdam zu finden ist schwer. Die Zahl der Geburten steigt, doch der Berufsstand leidet
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Hebammen in ganz Deutschland leiden unter den immer weiter steigenden Gebühren für die Haftpflichtversicherungen – ihr Protest geht seit Monaten durch die Medien. Auch in Potsdam stehen die Geburtshelferinnen unter Druck, gerade der Hebammen-Nachwuchs ist angesichts der hohen Kosten von über 5 000 Euro im Jahr immer schwerer zu animieren. Das wird zunehmend zum Problem – denn in der Landeshauptstadt werden immer mehr Kinder geboren.
Rund 40 Frauen kümmern sich derzeit um die Geburten in der Landeshauptstadt, davon bieten sechs Hebammen auch Hausgeburten an. Weitere acht von ihnen sind sogenenannte Beleghebammen – sie sind freiberuflich tätig, haben aber Verträge mit einem Krankenhaus. Sie sind 24 Stunden auf Abruf und wenn bei einer Kundin die Geburt ansteht, begleiten sie sie in den Kreißsaal und bleiben während der gesamten Geburt an ihrer Seite. Manch werdende Mutter will so vermeiden, dass sie die Hebamme erst am Tag der Geburt kennenlernt. Auch ein Schichtwechsel mitten unter der Geburt kann so umgangen werden.
Eine dieser Beleghebammen ist Peggy Jahnel. Sie hat einen Vertrag mit dem St. Josefs-Krankenhaus und weiß, wie schwer es für Potsdamerinnen mittlerweile ist, die geeignete Hebamme zu finden. Mittlerweile sei es üblich, dass Frauen sich bereits in der 16. Schwangerschaftswoche oder früher anmelden, erzählt sie. „Ich bin bis März ausgebucht.“ Auch für Frauen, die keine Beleghebamme, sondern lediglich jemanden für die Vor- und Nachsorge suchen, sei es mittlerweile in Potsdam schwieriger als noch vor wenigen Jahren. „Bei mir rufen ständig völlig entnervte Frauen an“, berichtet Jahnel. Vor allem zur Ferienzeit im Juli und August oder rund um den Jahreswechesel sei die Situation in Potsdam eine Katastrophe. Die Hebammen in der Stadt versuchen, die Situation zu entspannen, indem sie sich gegenseitig vertreten oder suchende Frauen an noch freie Kolleginnen verweisen. „Wir bemühen uns, die verzweifelten Frauen zu unterstützen.“ Konkurrenz gebe es unter den Potsdamer Hebammen nicht. „Das haben wir nicht nötig“, sagt Jahnel lachend.
Warum die Situation so angespannt ist, ist aus ihrer Sicht einfach zu erklären: „Es gibt immer mehr Geburten in Potsdam, aber die Zahl der Hebammen stagniert.“ Daran sei vor allem die hohe Haftpflichtversicherung schuld. Diese steigt – in ganz Deutschland – seit Jahren an, weil sowohl die Therapiekosten als auch die Lebenserwartung für bei der Geburt geschädigte Kinder gestiegen sind. Allein zwischen 2002 und 2012 haben sich Prämien, die die Hebammen zahlen müssen, verzehnfacht – von 453 auf 4 242 Euro im Jahr. Und sie sind seitdem noch weiter gestiegen, im Juli 2014 auf 5 091 Euro. Die nächste Erhöhung steht 2015 an, dann sollen es noch einmal 20 Prozent mehr sein.
Gerade frisch ausgebildete Hebammen schrecke das ab, berichtet Jahnel. Denn die gut 5 000 Euro müssten vorgestreckt werden, nicht allen jungen Hebammen sei das möglich. Freiberuflich tätige Kolleginnen entschieden sich zudem oft dazu, nur noch ein halbes Jahr lang angemeldet zu bleiben, um so die Prämie zu senken. Andere wiederum würden versuchen, die hohen Kosten durch Mehrarbeit zu kompensieren, was aber gerade für ältere Kolleginnen oder Mütter kleiner Kinder sehr schwierig sei.
Einige Hebammen entschieden sich mittlerweile auch dafür, gar keine Geburten mehr zu betreuen, sondern sich auf Vorbereitungskurse, Wochenbettbetreuung oder Rückbildungskurse zu konzentrieren, sagt Martina Schulze, Vorsitzende des Brandenburger Hebammenverbandes – zu dem auch fast alle der Potsdamer Kolleginnen gehören. Auch diese Hebammen müssten eine Haftpflichtversicherung bezahlen, diese sei aber deutlich niedriger, als wenn Geburten betreut würden. Wie viele ihrer Kolleginnen pocht auch Schulze auf eine langfristige Lösung des Versicherungsproblems. Der von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) angekündigte Sicherstellungszuschlag für Hebammen mit wenigen Geburten kann aus ihrer Sicht nur ein erster Schritt sein.
Solange muss Potsdam wohl noch damit leben, dass es ein „deutliches Missverhältnis“ zwischen Angebot und Nachfrage gibt, wie Schulze es ausdrückt. „Viele marschieren mittlerweile gleich nach dem Schwangerschaftstest los, um sich eine Hebamme zu besorgen“, sagt sie. Und ein Blick auf Peggy Jahnels Terminkalender zeigt: Das ist auch zu empfehlen.
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