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Homepage: Auslandseinsätze im Fokus
Neuer Chef und neues Schwerpunktthema für das Militärgeschichtliche Forschungsamt
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Mit neuem Chef begiebt sich das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) der Bundeswehr auf ein neues Forschungsgebiet. Am 22. März übergibt Oberst Dr. Hans Ehlert, seit 2004 Leiter des MGFA, das Kommando an seinen bisherigen Stellvertreter Oberst Dr. Hans-Hubertus Mack. Gleichzeitig wird sich die auf dem Gebiet der Militärgeschichte größte außeruniversitäre Forschungsstätte Deutschlands auf Weisung des Verteidigungsministeriums stärker den Auslandseinsätzen der Bundeswehr zuwenden, durch die sich die deutschen Streitkräfte seit den 90er Jahren zunehmend zu einer Einsatzarmee wandeln.
In diesem Zeichen stand der jüngste Vortrag der Potsdamer Reihe zur Militärgeschichte. Dafür hatte MGFA-Forschungsleiter Prof. Michael Epkenhans Generalleutnant Rainer Glatz gewonnen, den Kommandeur des in Potsdam-Geltow stationierten Einsatzführungskommandos der Bundeswehr. Glatz stellte seine Rolle als deutscher Manager in einem hochkomplizierten multinationalen Geflecht militärischer und ziviler Aufgaben dar. Jeder, auch noch so kleine, Fehler könne dabei weitreichende negative Folgen haben. Zu Afghanistan, wo die Bundeswehr für den Nordteil Verantwortung trägt, erklärte der General unumwunden: „In der Region Kundus haben wir die Initiative verloren.“
Mit militärischer Gewalt sei sie nicht zurückzugewinnen, beantwortete er eine Frage aus dem Publikum. Die Soldaten seien nur ein Faktor bei der Befriedung Afghanistans. Sie könnten Konflikte stoppen oder dämpfen, aber nicht lösen. Dies sei eine komplexe, vornehmlich zivile Aufgabe, weswegen er nicht von Auslandeinsätzen allein der Bundeswehr, sondern von der Bundesrepublik veranlassten Einsätzen sprechen würde. In zivil-militärischen Projektgruppen mit paritätischer Besetzung seitens der Afghanen zur Verbesserung des Schulwesens, der gesundheitlichen Betreuung oder der Wasserversorgung sieht er beispielsweise einen guten Weg, den Einfluss der Taliban und anderer aufständischer Gruppierungen zurückzudrängen.
Ebenso wichtig sei die Aufstellung weiterer Ausbildungsbataillone, die die afghanische Nationalarmee und Polizei befähigen sollen, ihre Aufgaben ohne internationale Hilfe wahrzunehmen. Vor dem Hintergrund der unlängst erneut bei einem Luftangriff getöteten Zivilsten wurde Glatz gefragt, ob die für die Nordregion zugesagte Unterstützung durch US-amerikanische Soldaten nicht das deutsche Ziel der Befriedung gefährde. Der General sieht das nicht so, zumal er eine Hubschrauberstaffel dazubekommt, womit die Region erstmals flächendeckend zu kontrollieren und in jedem Punkt in kurzer Zeit zu erreichen sei. Zudem habe Isaf-Kommandeur Stanley Mc Chrystal zugesichert, dass auch für die amerikanischen Truppen der Schutz der Zivilbevölkerung an erster Stelle stehe.
Für die Militärhistoriker des Potsdamer MGFA steht mit dem Projekt „Bundeswehr ab 1990“ nicht mehr so sehr die Historie, sondern die Zeitgeschichte, die Gegenwart und sogar die Zukunft im Fokus. Als Grundlagenforschung eingeordnet, besitzt das Projekt dennoch eine ganz praktische, aktuelle Bedeutung. Auf Anregung von Amtsleiter Oberst Ehlert erschien bereits 2005 der erste „Wegweiser“-Band – Publikationen die über Geschichte, kulturelle Traditionen, Lebensweise in den Einsatzländern unterrichten. Diese Broschüren seien für Offiziere und Unterführer eine unverzichtbare Orientierungshilfe, sagte Glatz. Auf dem Vortragsabend wurde erstmals ein Wegweiser zu allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr vorgestellt – der erste fand bereits 1960 zur Hilfe nach einem Erdbeben in Marokko statt. Erhart Hohenstein
Bernhard Chiari/Magnus Pohl (Hrsg.), Wegweiser zur Geschichte. Auslandseinsätze der Bundeswehr. ISBN 978-3-506-76914-5.
Erhart Hohenstein
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