Landeshauptstadt: Auswege aus der Schuldenfalle
Mieten steigen, nicht alle können bezahlen. Eine Million Euro bleiben Mieter der Gewoba jährlich schuldig
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Eine neue Schuldnerberatung für Mieter der größten Potsdamer Wohnungsbaugesellschaft soll Menschen in Notlagen helfen. Wie Geschäftsführer Jörn-Michael Westphal gestern erklärte, würden sowohl die Mieter als auch die Gewoba davon profitieren: Der Potsdamer bekommt eine kostenlose Beratung und Hilfe in Notfällen, das Unternehmen womöglich die nicht gezahlte Miete. Denn etwa eine Million Euro würden dem Unternehmen jährlich auf der Habenseite fehlen, weil Mieter nicht zahlen können oder wollen. Vor allem im Sommer sei ein Trend zu erkennen, die Miete nicht zu überweise, so Westphal. Da gebe es vermutlich wegen der Urlaubszeit „Liquiditätsengpässe“ bei den Mietern. Er führt das auf ständig steigende Wohnkosten „vor allem durch höhere Betriebskosten“ und die gleichzeitig gesunken Nettolöhne in der Landeshauptstadt zurück.
„Das Problem der Überschuldung trifft auch die Gewoba-Mieter“, teilte das Unternehmen gestern mit. In der Landeshauptstadt hat es laut dem Statistischen Bericht im vergangenen Jahr 335 private Insolvenzen gegeben, in den Jahren davor waren es 235 beziehungsweise 163. Einen erneuten Höchststand bei den Privat- Insolvenzen ist in diesem Jahr zu verzeichnen. Für das Wohnungsunternehmen Gewoba heißt das: jedes Jahr knapp 100 Räumungsklagen. Allerdings müsse letztendlich nur in einem von drei Fällen geräumt werden, sagte Westphal.
Die häufigsten Ursachen für die Schuldenfalle seien Scheidung, Alkohol und Arbeitslosigkeit. Insgesamt 290 persönliche Beratungen hat Enrico Eule nach eigenen Angaben in den vergangenen drei Jahren Mietschuldnerberatung durchgeführt, einem Großteil der Potsdamer habe er helfen können. Daher wird das Angebot nun von der Innenstadt aus auf das Wohngebiet Am Schlaatz ausgeweitet. Grund sei die räumliche Nähe und kürzere Wege für Gewoba-Mieter. Dass das Wohngebiet Schlaatz ein Schwerpunktgebiet bei derartigen Problemen ist, gelte bei der Standortwahl weniger, hieß es. Vielmehr soll der Standort Falkenhorst 14 als Beratungszentrum ausgebaut werden. Neben der Schuldnerberatung sei auch eine Lebensberatung und Krisenberatung geplant, sagte Friedrich Reinsch vom Verein Soziale Stadt.
Pro Potsdam hatte sich vor drei Jahren für die Arbeiterwohlfahrt als Partner entschieden und damit eine eigene Beratungsstelle für Mieter aufgebaut. Grund dafür seien auch lange Wartezeiten bei anderen, nichtkommerziellen Schuldnerberatungen gewesen. Denn wenn die Beratung erst nach sechs Monaten beginne, seien Mietschulden oft schon enorm hoch, so Westphal. Der erste Indikator, dass es zu Problemen kommen könnte, sei die Rücklastschrift der Mietzahlung. Hat der Mieter zwei Mal nicht gezahlt und wurde von allein nicht aktiv, werde die Kündigung eingeleitet. Westphal sagte, dass diese kurze Frist auch für Mieter Vorteile hätte, da sich die Schulden nicht weiter auftürmen würden und gemeinsam nach Lösungen gesucht werde.
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