Landeshauptstadt: Badeteich in Sanssouci
Georg Potente entwarf 1931 ein Volksparkprojekt für Charlottenhof mit sechs Ballspielplätzen
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Sie gehen am Nordrand des Parks Charlottenhof Richtung Neues Palais und hören plötzlich die Stimmen und das Plätschern von Badenden. Vom Ökonomieweg öffnet sich der Blick auf einen großen Teich, den Sie noch nie gesehen haben. An seiner Südwestecke steht ein runder Pavillon, davor Stege, an denen Ruderboote an- und ablegen. An der Südseite des Gewässers ist ein Bereich abgetrennt, in dem sich Schwimmer tummeln.
Ein solches Bild wäre ein Alptraum für Sanssoucis Gartendenkmalpfleger, hätte es doch das durch keinen Geringeren als Peter Joseph Lenné 1826 - 1836 entworfene „arkadisch-idyllische Gartenkunstwerk“ Charlottenhof, heute zum Weltkulturerbe zählend, schwer beeinträchtigt, wenn nicht sogar zerstört. Lenné war durch Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) mit der Umgestaltung des damaligen Gutsgeländes beauftragt worden, der es von seinem königlichen Vater 1825 als nobles Weihnachtsgeschenk erhalten hatte.
Doch das aus heutiger Sicht absolut unangemessene Volkspark-Projekt hat es für Charlottenhof tatsächlich gegeben. Und ausgerechnet der damalige Gartendirektor Georg Potente hat es 1931/32 in mehreren Varianten vorgelegt, der doch als Begründer der wissenschaftlichen Gartendenkmalpflege gilt und unter anderem das Herz Sanssoucis auf die friderizianische Gestaltung zurückführte. Die Zeichnungen fertigte der kaum weniger prominente Gärtner Theodor Nietner an.
Der stellvertretende Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Dr. Jörg Wacker, hat seine Dissertation über Potente geschrieben und 2003 im Akademie-Verlag einen umfassenden Katalog von dessen Plänen und Zeichnungen vorgelegt. Er versucht eine Erklärung: Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre war die Volksparkidee weit verbreitet und wurde von der Politik gefördert. In Teilen des Parks Glienicke, ebenfalls einer Schöpfung Lennés, wurde sie von der Stadt Berlin sogar umgesetzt. Wacker meint, auch Potente habe unter Druck gestanden, wenngleich bisher nicht ermittelt werden konnte, „welche politischen Kräfte diese Pläne initiiert“ hätten.
Sie sahen übrigens keineswegs nur den Gondel- und Badeteich vor. Nördlich der Fasanerie sollten nicht weniger als sechs Ballspielfelder angelegt werden, vier kleinere, daran anschließend ein großer, von Pergolen gerahmter Sportplatz mit Zuschauerreihen und einem, Gebäude, das vermutlich als Umkleide dienen sollte. Als nördlicher Abschluss war eine weitere Rasenfläche geplant, die man als eine Art Festwiese deuten könnte.
Vom Sportplatzgebäude führte ein Weg Richtung Nordwest zu einem Tanzplatz, ebenfalls mit Sitzreihen umgeben. Im südlich davon gelegenen Hippodrom sind auf den Plänen kleinere rechteckige Flächen zu erkennen, deren Zweckbestimmung nicht sicher ist. Auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei nördlich der Römischen Bäder sollte ein Kinderspielplatz angelegt werden. Auch die Senioren wurden nicht vergessen: Die Pläne sahen auf der Wiese südlich des Blumengartens einen speziellen Aufenthaltsort „für alte Leute“ vor.
Wer die Zeichnungen heute sieht, kann den Eindruck gewinnen, dass Georg Potente den Volkspark „verstecken“ wollte. Zum Ökonomieweg hin sollte er durch eine dichte Bepflanzung abgeschirmt werden, für den Tanzplatz und den Kinderspielplatz waren Hecken und Rankgerüste als Umgrenzung vorgesehen, für den Alte-Leute-Platz ein dreiseitiger Gehölzriegel.
Auch ein neuer Zugang in den Volkspark sollte angelegt werden. Er führte in der Verlängerung des Werderschen Weges von Osten auf das Gelände und nördlich an der ehemaligen Baumschule entlang, deren Fläche auf den Entwürfen als „Zum Lagern zu sumpfig“ bezeichnet wird. Hier waren deshalb „Anzuchtflächen für den Volkspark“ vorgesehen. Mit Bänken versehene Aussichtsplätzen wie etwa am geplanten Gondelteich und an der Südspitze der Insel im Maschinenteich, rundeten das Vorhaben ab.
Doch die Sorge, dass tausende Fußballfans zum Sportplatz Charlottenhof ziehen könnten, um dort die Spiele des SVB 03 zu sehen, und kaum weniger sich in die Fluten des Badeteichs stürzen, mussten die Gartendenkmalpfleger von Sanssouci nicht haben. Das Projekt blieb ja ein „Luftschloss“. Jörg Wacker führt dies wesentlich auf den Widerstand von Ernst Gall zurück, der seit 1929 Direktor der preußischen Schlösserverwaltung war. Die Volksparkidee allerdings lebt weiter und schwappt immer mal wieder auf die Potsdamer Gartendenkmale des Weltkulturerbes über. Dazu sind Nachkriegsentwürfe erhalten, und auch die in den 90er Jahren erhobenen Forderungen nach einer weitgehenden Erholungsnutzung des Babelsberger Parks liefern ein Indiz dafür.
Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.
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