Landeshauptstadt: „Bald stürzt die Linde um“
Parkpflege in Babelsberg kontra Naturschutz
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Babelsberg - Im Babelsberger Park wird nördlich der Grenzstraße beim nächsten Sturm oder Starkregen eine große alte Linde umstürzen. Dies prophezeite Dr. Dörthe Thiel gestern bei einer von der Stadtverordnetenfraktion „Die Andere“ organisierten Führung „Babelsberger Park - mehr als ein Denkmal“. Die Linde steht jetzt schon schief, und das sei auf unfachgemäßen Wegebau zurückzuführen, der die Wurzeln beschädigt habe.
Aus der Sicht der Biologin, die für das Berliner Naturkundemuseum arbeitet, verstößt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten bei der Parkpflege permanent gegen Naturschutzbelange. Beim Wegebau werde u. a. Schwefelkies eingesetzt, der die angrenzenden Rasenflächen schädige. Durch Baumfällungen freigelegte Sichtachsen zwängen dazu, die Wiesenflächen mehrfach im Jahr zu mähen. Dadurch sei die durch den Parkgestalter Fürst Pückler herbeigeführte, von Goldhafer, Lichtnelken, Kornblumen, verschiedenen Gräsern und Flechten gekennzeichnete Artenvielfalt in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen.
Grundlegende Fehler sieht Thiel auch beim Baumschnitt. Die unteren Äste abzusägen, nehme alten Bäumen die Kraft zur Verjüngung. Man müsse sie vielmehr auf vier bis sechs Meter Höhe zurücksetzen. Der immer wieder ausgeführten Schnitt mache nur die Firmen reich und führe schließlich zum Absterben der Bäume. Dann werde neu gepflanzt, aber nicht durch in der Parkgärtnerei herangezogene Setzlinge, sondern durch teuren Bezug aus Baumschulen. Man müsse „die Bäume altern lassen“, forderte die Biologin. Auch Totholz sollte als Lebensraum seltener Tiere, von Fledermäusen bis zu Borkenkäferarten, erhalten bleiben. Immerhin, eine Baumruine konnte sie zeigen, die auf Rat der Naturschützer stehen gelassen wurde.
Die Philippika der für ihren Sarkasmus bekannten Biologin endete mit dem Hinweis, dass sie Fachkollegen der Arbeitsgemeinschaft für Gehölz- und Biotoppflege den Park als Beispiel naturschutzfeindlicher Pflege vorführe und „so zum Besucheranstieg beitrage“.
Dörthe Thiel hat Anteil daran, dass 1999 für Babelsberg ein Parkbeirat gebildet wurde, in dem Naturschützer mitwirkten. Ihre Anregungen finden sich in der 2006 zwischen Stiftung und Rat der Stadt getroffenen Vereinbarung wieder, mit der u. a. wertvolle Biotope in den Parks geschützt werden. Thiels Hinweis, dass sich die Gartendenkmalpfleger auf wachsende Besucherzahlen und veränderte Nutzungswünsche, auf den klimatischen Wandel und die wachsende Rolle der Parks als Rückzugsgebiete für bedrohte Arten einstellen müssen, erscheint ebenso bedenkenswert wie der Vorschlag eines Monitoring, mit dem die Parkentwicklung überwacht wird.
Die Führung wird am nächsten Sonntag, 29. April, 11 Uhr, wiederholt. Treff ist der Parkeingang Grenzstraße. E. Hoh
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