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Homepage: Balzgehabe bei Männern und Pfauen

Der Biologe Josef H. Reichholf sprach auf Einladung des Einstein Forums über den Zweck von Schönheit in der Natur

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Er halte nun einen Vortrag in einem der größten Vogelparadiese Deutschlands: in Berlin. Mehr als 1000 Nachtigallen gebe es in der Hauptstadt, das seien mehr als in ganz Bayern, sagte Josef H. Reichholf. Auf Einladung des Potsdamer Einstein Forums sprach der ehemalige Leiter der Abteilung Wirbeltiere der zoologischen Staatssammlung München im Berliner Naturkundemuseum, neugierig beäugt von riesigen Saurierskeletten und allerlei ausgestopften Vögeln und Reptilien.

Der 67-jährige Biologe Reichholf hat an zwei Münchener Hochschulen unterrichtet und zahlreiche Bücher veröffentlicht. Weil der Naturwissenschaftler gerne zugespitzt formuliert und immer wieder Ansichten vertritt, die dem Gros seiner Kollegen gegen den Strich gehen, ist er häufig eingeladener Gast bei öffentlichen Diskussionen, auch seine Essays sind gefragt. Mit Stellungnahmen zur Klimadiskussion brachte er die Zunft der Klimaforscher gegen sich auf. Ein wenig Erwärmung der Erdatmosphäre sei gar nicht so schlimm, argumentierte er in seinem Buch: „Eine kurze Naturgeschichte des Jahrtausends“. Schließlich hätten die warmen Phasen der Vergangenheit stets eine hohe Artenvielfalt, reiche Ernte und kulturelle Blüten hervorgebracht.

In Berlin macht sich Reichholf Gedanken über die „Bedeutung der Schönheit für Menschen und Natur“. Bereits Darwin habe postuliert, Schönheit diene allgemein der sexuellen Selektion. Der israelische Zoologe Amotz Zahavi habe behauptet, Schönheit wie sie sich beispielsweise im Pfauenrad zeige, sei zwar ein Handycap, gerade darin aber äußere sich die besondere Fitness. Denn der Träger sei in der Lage mit dem Handycap umzugehen.

„Auf den Menschen übertragen bedeutet das, halsbrecherische Dinge wie High Heels oder hochtourige Motorräder demonstrieren, dass der Nutzer auch mit selbst gesetzten Behinderungen fertig wird“. Ganz so dumm sei die Natur allerdings nicht. Denn das Pfauenrad sei nicht einfach nur schön anzusehen. Es sende auch ganz klare biologische Signale. „Ein prächtiges, gesundes Rad zeigt, dass der Pfau in der Lage war, seine aufwendige Pracht ungestört zu entfalten und frei von Parasitenbefall ist“, erklärt der Biologe. Zudem lasse sich das Pfauenweibchen noch lange nicht so einfach nur vom Rad beeindrucken, entscheidend sei auch die Dauer der Balz und die Schönheit des Gesangs, denn hier zeige sich Ausdauer und Einfallsreichtum. Das gelte im Übrigen auch für den „Grunzpfiff“ der Berliner Stockenten und den Gesang der Nachtigall. Was das Weibchen an Energie in Eier und Gelege stecke, konzentriere das Männchen im Pfauenschweif, auch das sei eine Form der Freiheit bei der Verwendung natürlicher Ressourcen.

Übertragen auf die menschliche Gesellschaft verblüfft den Wissenschaftler die Angleichung der äußeren Erscheinung von Businessfrauen an die von Geschäftsmännern. Diese gehe so weit, dass die Frauen in ihrer, in teures grau gewandeten, Uniformität kaum noch zu unterscheiden sind. Frauen und Männer treibe aber an sich die Aussicht auf eine möglichst erfolgreiche Partnerwerbung seit Alters her zu dekorativen Höchstleistungen bei der Ausstaffierung der Geschlechtermerkmale. Dies belegt Reichholf mit Fotos von Indigenen aus dem Amazonasgebiet, die auch heute noch bunt geschmückt ihre männliche Potenz demonstrieren.

Wie tief die Urzeit ins Unterbewusste des modernen Menschen hineinreicht, demonstriert Reichholf am „Kindchenschema“. Frauengesichter die dem entsprächen, würden stets als schön empfunden, denn es signalisiere, dass „die Frau noch nicht durch eine Schwangerschaft geprägt ist. Eine Andeutung von Babyspeck aktiviert den Beschützerinstinkt und signalisiert Vitalität, ebenso wie volle rote Lippen.“ Weil ein hoher sozialer Status ökonomische Potenz signalisiere, gelinge es andererseits nicht selten älteren Männern junge Frauen für sich einzunehmen: „Geld macht sexy“. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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