
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Barock in die Zukunft
Die Schinkelkirche in Petzow hat nach Jahrzehnten wieder eine Orgel. Pfingsten gab es den Einstand
Stand:
Werder (Havel) - Auch das längste Warten hat einmal ein Ende: Nach zehn Jahren intensivster Mühen wurde am Pfingstsonntag die neue Orgel in der Petzower Schinkelkirche offiziell eingeweiht. Gebaut hat das gute Stück die Firma „Markus Voigt“ aus Bad Liebenwerda, getragen, gesponsert und unterstützt wurde sie aber eigentlich von allen, die sie wollten – von den ehrenamtlichen Vereinen über die Stadt Werder und den Landkreis Potsdam-Mittelmark bis zum Kultusministerium in Potsdam. Fortan kann man auf dem Grelle-Berg nicht nur „richtige“ Orgelkonzerte hören, es ist jetzt auch möglich, sich in Anwesenheit dieses „königlichen Instruments“ das Ja-Wort zu geben. Ein Mehr an „Heirats-Qualität“ also.
Angesichts so bedeutsamer Veränderungen hielten sich die Festreden der Offiziellen glücklicherweise mehr in Grenzen als Werders Ordnungsamt, welches inzwischen draußen eifrigst Knöllchen hinter die Scheibenwischer der Gäste klemmte. Die Blütenstadt sieht in der neuen Orgel offenbar nicht nur eine Bereicherung für die örtliche Kultur. Landrat Wolfgang Blasig (SPD) sprach von der „Verwirklichung eines Traums“. Kultur-Staatssekretär Martin Gorholt (SPD) machte die Neue schon vorab zu „Petzows Schmuckstück“, indes der Werderaner Pfarrer Georg Timme das Orgelspiel mit dem Wehen des Heiligen Geistes in Verbindung brachte. Nachdem Firmenchef Markus Voigt die Vorzüge und Besonderheiten dieses Instruments hinreichend erklärt und Senior Voigt dazu auf der Empore die passenden Manuale und Pedale bedient hatte, wurden Dank und eine eigens gefertigte Festschrift für die Engagiertesten verteilt.
Dann kam der programmatische Teil. Womit weiht man eine Orgel, wohin soll es fortan gehen? In die Welt der Koloraturen, der Fugen und Toccaten offenbar, warum sollte Johann Sebastian Bachs hochberühmte Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 sonst an den Anfang des Festkonzertes gestellt worden sein? „Zeit für Barock“ heißt ja auch jenes Berliner Ensemble, aus welchem die Instrumentalisten Tobias Berndt (Orgel) und Hannes Maczey (Piccolotrompete) für das Auftaktkonzert stammen. Nach der recht gefälligen Interpretation dieses und einer eher blässelnden Darstellung von Bachs „Jesus bleibet meine Freude“ war mit Nikolaus Bruhns ein weiterer Barockkomponist des 17. Jahrhunderts am Werk. Sein Praeludium in G-Dur für Orgel solo wirkte, als ob er zwischen den Jubel des Kopfteils und jenem so seltsam schwirrenden Finale gleich alle Gegensätzlichkeiten seiner Welt hineinkomponiert wissen wollte.
Auch das letzte Orgelsolo, Johann Gottfried Walthers „Concerto del Signore Vivaldi“, war höchst erlesen. Es lebte durch seine pulsierende Korrespondenz zwischen südländischer Leichtigkeit und cisalpiner Erdkraft hier, das war ein großes Erlebnis. Dazwischen etwas „Jubelbrause“ für die Königshöfe, ein Trompetenstück angeblich für den „Prinzen von Dänemark“ (Purcell/Clarc), die ziemlich verwaschen wirkende Ouvertüre aus Georg Friedrich Händels „Wassermusik“.
John Stanleys Suite No 1 of Trumpet Voluntary und drei Sätze aus Guiseppe Torellis Sonate D-Dur a 5 vervollständigten das erste Kirchenorgel-Konzert der Neuzeit in Petzow. Die letzteren Werke sind nicht nur mit viel Eleganz und Raffinesse komponiert, ihr Mittelsatz ist in beiden Fällen nur für Orgelsolo geschrieben, und so klagte sie dann auch in den traurigsten aller Adagio-Tönen. Die triumphale Rückkehr der Trompete und das übermütige Zusammenspiel beider Instrumente erinnerte ein klein wenig an den Anlass dieser Veranstaltung. Rein allegorisch natürlich. Gerold Paul
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: