
© A. Klaer
Stadtbäume in Potsdam: Bäumchen wechsel dich
Wegen des Klimawandels suchen Forscher nach hitzeresistenteren Bäumen, auch einige Potsdamer Straßen sind Versuchsfläche. Bewähren sich die neuen Arten, könnten sie bald häufiger zu sehen sein.
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Potsdam - Die junge Grau-Erle scheint sich hier ganz wohl zu fühlen. Schon rund 50 Zentimeter sind die Äste des Bäumchens in der Straße Zum Kahleberg innerhalb eines Jahres gewachsen, auch zahlreiche grüne Triebe sind schon zu sehen. Den „Pflanzschock“ hat der Baum offenbar gut überstanden. Und den ersten Winter auch.
Die Grau-Erle steht unter besonderer Beobachtung, genauso wie die sieben weiteren Bäumchen dieser Art in der ruhigen Wohnstraße in der Waldstadt. Denn Potsdam ist Teil eines groß angelegten Forschungsprojekts der Berliner Humboldt-Universität (HU). Ziel des Projekts ist es, den stressresistenten Straßenbaum der Zukunft zu finden. Er soll der zunehmenden Trockenheit und den häufigeren Wetterextremen standhalten und gleichzeitig auch noch möglichst resistent gegen Schädlinge und den Einfluss des Straßenverkehrs sein.
Klimawandel mache sich in Potsdam schon bemerkbar
In Potsdam mache sich der Klimawandel schon jetzt bemerkbar, sagt Lars Severin. Er ist „Teamkoordinator Stadtbäume“ bei der Verwaltung, sozusagen der Herr über die 90 000 Potsdamer Bäume. „Wir haben weniger Niederschlag als vor einigen Jahren und die neuen Triebe kommen bis zu zwei Wochen früher.“ Dazu kommen noch die Stressfaktoren, die Städte generell für Bäume bedeuten: Asphalt und Wohnblöcke strahlen Wärme ab, das sei fast schon eine „Steppensituation“ für die Bäume.
Welche Bäume mit diesen Bedingungen am besten zurechtkommen, wollen nun die Wissenschaftler der HU herausfinden – im Auftrag des Bundes. Zunächst zogen die Forscher seit 2010 rund 80 verschiedene Baumarten auf einem Testgelände in Kleinziehten (Dahme-Spreewald) groß. Die mit den besten Ergebnissen wurden dann vor gut einem Jahr in die „freie Wildbahn“ entlassen – in diesem Fall sind das Potsdamer Straßen. Nicht nur in der Waldstadt wurden Testbäume gepflanzt, auch am Schlaatz oder in Babelsberg.
Lava-Bims-Gestein soll Wurzelwachstum beeinflussen
Das Format der Testreihe ist überall gleich: Je zwei Bäume an einem Standort bekommen eine spezielle Pilzbehandlung zur Unterstützung, bei je zweien wird eine Mineralienmischung dazugegeben und zwei bleiben unbehandelt. In der Waldstadt hat Severin auch noch zwei Grau-Erlen mit dem Potsdamer Standard-Programm für Jungbäume behandeln lassen: Der Wurzelballen wird in ein Gemisch aus speziellem Rohhumus, Depotdünger und Wasserspeichergranulat gesetzt. Darunter kommt noch ein Lava-Bims-Gemisch, das bewirken soll, dass die Wurzeln möglichst weit nach unten wachsen und keine Gehwege und Straßen beschädigen.
Das Standard-Programm und die Pilzbehandlung scheinen bei den Grau-Erlen bislang am besten zu funktionieren, die Bäumchen in dem mit Mineralien angereicherten Boden haben kaum Triebe. Das könnte aber auch an ihrem schattigen Plätzchen liegen. „Für ein Fazit ist es eigentlich noch zu früh“, sagt Severin.
Gegen Hitze und Trockenheit resistenter
Fünf Jahre läuft der Untersuchungszeitraum, dann wird entschieden, ob Grau-Erle, Eisenholzbaum, Amberbaum, Urweltmammutbaum oder Späth-Erle für Potsdam eine Alternative sind. Sie alle sind – so die Hoffnung der Experten – resistenter gegen zunehmende Hitze und Trockenheit.
Ein anschauliches Beispiel für einen Baum, der mit den hiesigen Bedingungen schlecht zurechtkommt, steht direkt neben den Versuchsbäumchen am Kahleberg: eine vertrocknete Vogelbeere. „Das war zu DDR-Zeiten ein beliebter Straßenbaum“, erklärt Severin. Doch der Eberesche, wie das Gewächs auch genannt wird, ist es in Potsdam zu trocken, heute wird sie nicht mehr gepflanzt.
Auch bestimmte Ulmenarten, die aus Japan stammende Sicheltanne oder manche Auengewächse kommen mit dem hiesigen Klima nicht gut klar. Andere wurden wegen Schädlingsbefalls schon aus dem Sortiment genommen, zum Beispiel die Rosskastanie. Sie wird häufig vom Bakterium Pseudomonas befallen, das den Baum so sehr schädigen kann, dass er von innen heraus verfault und binnen weniger Jahre abstirbt.
Bäume sollen nicht nur Hitze abkönnen, sondern auch eisige Winter
Jene Baumarten, die sich nun im Testverfahren durchsetzen, könnten künftig häufiger im Potsdamer Stadtbild auftauchen. Voraussetzung ist allerdings, dass die meist aus südlicheren Ländern stammenden Arten nicht nur die Trockenheit vertragen, sondern auch die teils eisigen Winter in Potsdam überstehen. Doch auch wenn sich die Testbäume als geeignet erweisen, wird Potsdam nicht eines Tages ausschließlich von Grau-Erlen oder Eisenholzbäumen bewachsen sein: „Ideal ist eine Durchmischung“, sagt Severin. Monokulturen begünstigten schließlich den Parasitenbefall, siehe Eichenprozessionsspinner oder Miniermotte. „Und außerdem halten wir natürlich an unseren Leitbaumarten fest“, so Severin. Dazu gehören die Linde und die Eiche. Und der Rotdorn. „Das ist zwar eine Diva“, sagt Severin. Aber mit der richtigen Behandlung kriegen wir das hin.“
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