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Landeshauptstadt: „Baumkonto“ beliebt Potsdamer Naturschutztbeirat verliert an Einfluss

Nahezu kommentarlos nahmen die Mitglieder des Umweltausschusses der Stadt am Donnerstagabend den Jahresbericht des Potsdamer Naturschutzbeirates entgegen. Hingewiesen wurde lediglich auf die Zerstörung des Röhricht- und Schilfgürtels durch die Eigentümer von Seegrundstücken am Krampnitz- und Lehnitzsee.

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Nahezu kommentarlos nahmen die Mitglieder des Umweltausschusses der Stadt am Donnerstagabend den Jahresbericht des Potsdamer Naturschutzbeirates entgegen. Hingewiesen wurde lediglich auf die Zerstörung des Röhricht- und Schilfgürtels durch die Eigentümer von Seegrundstücken am Krampnitz- und Lehnitzsee. Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall: So will die jetzt als Hotel genutzte Sparkassenakademie am Luftschiffhafen eine „Seebühne“ ins Schilf treiben und Zernseeanlieger möchten neue Bootsstege. Immerhin forderte der Beirat ein „Ufer- und Röhrichtkonzept“, das Sammel- statt Einzelstege favorisiert.

Als vorbildlich bezeichnete der Beiratsvorsitzende Burkhard Voß das Kontrollsystem der Stadtverwaltung für Ausgleichspflanzungen, zu denen Investoren bei der Vernichtung von Waldflächen verpflichtet sind. Allerdings zahlen die meisten lieber auf das so genannte „Baumkonto“ ein, als sich selbst um Neupflanzungen zu kümmern. Auf einem ehemaligen Industriegelände am Werderschen Damm soll nun eine Fläche zur Wiederaufforstung durch solche Ersatzmaßnahmen entwickelt werden.

Akzeptiert wurde vom Naturschutzbeirat die Vereinbarung, die der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in ihren Parks Baumfällungen ermöglicht, ohne dafür jeweils Genehmigungen einholen zu müssen. Über die erheblichen Eingriffe, die die Stiftung ohne Unterrichtung der Öffentlichkeit in den letzten Tagen im Baumbestand des Babelsberger Parks vorgenommen hat, war Voß offensichtlich ebenso wenig informiert wie die Abgeordneten. Immerhin forderte er wissenschaftliche „Erhebungen der naturschutzfachlichen Schutzgüter“, ehe die Stiftungsgärtner zu Säge und Axt greifen. Für die Umgestaltung des Gutsparks Groß Glienicke, in dem die Rodungen auch in der Brutzeit der Vögel nicht gestoppt wurden, sei ein „beurteilungsfähiges Gesamtkonzept“ erforderlich. Positiv nahmen die Abgeordneten den Vorschlag auf, das durch die Autobahnbrücke bei Uetz getrennte Naturschutzgebiet der Oberen Wublitz wieder zu vereinen. Dazu würde ein Durchstich für die Wublitzrinne unter der Brücke ausreichen. Zurzeit verlandet das Feuchtgebiet beidseitig der Autobahn immer mehr und verliert als Lebensraum seltener Pflanzen und Tiere an Wert.

Der siebenköpfige Beirat, dem hochrangige Experten angehören, hat sich offensichtlich damit abgefunden, dass er nach der Novellierung des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes kein Einspruchsrecht mehr besitzt. Immerhin suche das Potsdamer Umweltamt im Gegensatz zu anderen Behörden noch immer seinen fachlichen Rat, das Beiratsvotum habe jedoch „an Stellenwert verloren“. Die Motivation ehrenamtlicher Naturschützer habe „deutlich abgenommen“. Ob der pflaumenweiche Jahresbericht, der der Stadtverwaltung ein wohlwollendes Zeugnis ausstellt, die richtige Reaktion darauf ist? Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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