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Landeshauptstadt: Baustelle Schloss Babelsberg

Riesenandrang bei Sonderführung / Sanierung und Generalrestaurierung dauern mindestens noch bis 2012

Stand:

Riesenandrang bei Sonderführung / Sanierung und Generalrestaurierung dauern mindestens noch bis 2012 Von Erhart Hohenstein Fast ehrfürchtig umwandelten die Besucher die Galerie im oberen Drittel des Tanzsaals. Der stellvertretende Kastellan Marcus Prost hat ihnen nämlich gerade erzählt, dass nach Wiedereröffnung des Kaiserschlosses Babelsberg als Museum dieser Umgang nicht mehr betreten werden darf, da dies heutigen Sicherheitsbestimmungen widerspreche. Bei der Baustellenführung aber ist es möglich, und davon wird es noch eine ganze Reihe geben. Der junge Historiker nennt 2012 oder gar 2014 als Endpunkt der begonnenen Sanierung und Generalrestaurierung der Sommerresidenz des Prinzen, Kronprinzen, preußischen Regenten und Königs, schließlich deutschen Kaisers Wilhelm I. Am Beispiel einer wiederhergestellten Decke erläutert er, wie durch Abziehen einer Farbschicht nach der anderen der originale Farbton gesucht und gefunden wurde, ehe die Restaurierung beginnen konnte. Zwei Jahre habe sie allein für diese eine Zimmerdecke in Anspruch genommen. Bis 2012 oder 2014 wird es allerdings nicht dauern, bis der 1833-1835 durch Schinkel errichtete und in den 40er Jahren durch Persius, dann Strack auf das Doppelte erweiterte Schlossbau wieder zugänglich gemacht wird. Die fertig werdenden Räume sollen nach und nach als Museum geöffnet werden; bisher hieß es ab nächstes Jahr, nun aber wohl frühestens 2006. Dann sei zuerst eine Sonderausstellung vorgesehen. Eine Beschleunigung der Arbeiten, wie sie ab Herbst einsetzen soll, wäre wünschenswert. Zur gestrigen Baustellenführung waren, bedingt auch durch die Presseankündigungen, weit über 100 Interessenten erschienen, von denen Prost eine beträchtliche Anzahl wegschicken musste, denn solch eine Riesenschar kann sich nicht durch die engen Flure und die teils von Gerüsten verstellten kleinen Räume zwängen. Vielleicht könnte die Stiftung darüber nachdenken, ob angesichts des großen Interesses die Zahl dieser Führungen, die wegen der Bauarbeiten nur sonntags möglich sind, vergrößert werden kann. Zunächst einmal finden sie bis Oktober zweimal monatlich statt, die genauen Termine stehen noch nicht fest, werden aber rechtzeitig bekannt gegeben. Wer nicht enttäuscht vor der Tür stehen bleiben will, sollte den Hinweis der Stiftung ernst nehmen und sich vorher anmelden (Telefon 0331/ 9694317). Bei der Wiederherstellung des Schlossinneren stehen die Kunsthistoriker vor der schwierigen Aufgabe, auf welche Fassung sie zurückgehen sollen. Schon beim Bau des ersten Teils redete die Wilhelm angetraute Weimarer Prinzessin Augusta in die Pläne Schinkels hinein, der daraufhin höchst erzürnt der Einweihungsfeier am 18.10.1835 fernblieb. Als mit der voranschreitenden Rangerhöhung ihres Gemahls der Erweiterungsbau entstand und da Schlossinnere nobler ausgestattet wurde, nutzte Augusta die Gelegenheit, einige Gestaltungen des inzwischen verstorbenen Meisters rückgängig zu machen. Marcus Porst wies dies u.a. an einer Decke nach, deren lichte Schinkelsche Farbgebung durch Rippen in neogotischem Maßwerk ersetzt wurde. Insgesamt haben sich die Kunsthistoriker und Restauratoren darauf verständigt, Wilhelms und Augustas Wohn- und Lebenswelt neu erfahrbar zu machen. Dazu werden Gestaltungen nicht nur aus der Kaiserzeit, sondern auch aus den 40er und 60er Jahren wiederhergestellt. An der einen oder anderen Stelle wird dem Besucher demonstriert, welche schmerzlichen Eingriffe das Schloss während der DDR-Zeit erlitt. Im Speisesaal ist immer noch die Zwischendecke zu sehen, die den hohen Raum in Fotolabor (oben) und Büro (unten) des Museums für Ur- und Frühgeschichte teilte, das nach „Volks“richterschule und Filmfachschule hier eingezogen war. Die Decke bleibt übrigens vorläufig erhalten, weil so der obere Teil des Saals leichter restauriert werden kann. Die Gattin des späteren 99-Tage-Kaisers Friedrich III., Kronprinzessin Victoria, soll maßgeblich zu einer Verbesserung der Wohnqualität beigetragen haben, obwohl sie 1858 nur für ein Sommer in Babelsberg Obdach nahm. Das Schloss erhielt moderne Badezimmer und Sanitäranlagen, wie „Vicky“ sie aus ihrem Elternhaus, dem englischen Königshaus, kannte. Die Küche, aus der Gerüche und Geräusche in die darüber liegenden herrschaftlichen Räume aufstiegen, ließ sie in einen Extrabau verlegen. Auch die Keller, die die Besucher gestern zu sehen bekamen, wird es in dieser Form später nicht mehr geben. Hier soll die Servicezone des Museums mit einem Café, Vortragssaal, Informationszentrum, Museumsshop, Toiletten, Aufzug für Behinderte u.ä. entstehen. Weit über eine Stunde führte Marcus Prost durch das Schloss. Alle 99 Räume konnte er nicht zeigen und musste auch auf manches Aha-Geschichtchen verzichten. So dass der alte Kaiser liebend gern Touristen ins Schloss ließ, von denen sich manche unvermittelt in die Gemächer seiner darüber höchst empörten Gemahlin verirrten.

Erhart Hohenstein

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