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Landeshauptstadt: Bedeckter Himmel am Tag der Befreiung

Am 8. Mai war der Zweite Weltkrieg zu Ende – In Potsdam erfuhr davon fast niemand

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Am 8. Mai war der Zweite Weltkrieg zu Ende – In Potsdam erfuhr davon fast niemand Von Juliane Wedemeyer und Christian Klusemann Die warme Frühlingssonne ließ sich an diesem Dienstag im Mai 1945 nicht blicken: Die Thermometer zeigten nur 14 Grad Celsius, der Himmel war bedeckt. Die Potsdamer standen vor den Geschäften nach Lebensmitteln an und hatten nur eins im Sinn: „Überleben!“, erinnert sich Historiker Klaus Arlt vom Haus der Brandenburgisch-preußischen Geschichte. Als Elfjähriger erlebte er den 8. Mai in Potsdam. Jeder habe versucht, etwas Essbares zu ergattern. Dass dieser Tag ein historisches Datum war, war in Potsdam kaum jemandem bewusst – den Menschen standen keine Zeitungen und kaum Radios zur Verfügung. Bereits am 7. Mai hatte Generaloberst Alfred Jodl in Reims die erste bedingungslose Kapitulation unterschrieben, die am 8. Mai um 23 Uhr in Kraft treten sollte. Am selben Tag unterschrieb Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel in Berlin-Karlshorst eine zweite Kapitulation. So konnte auch General Schukow als Vertreter der Roten Armee dabei sein. Für die Potsdamer war der Krieg da schon neun Tage zu Ende. Nachdem am 30. April die letzten Kämpfe am Bahnhof Charlottenhof beendet waren, richtete Oberst Werin am 1. Mai zwei sowjetische Stadtkommandanturen in der Innenstadt und in Babelsberg ein. Einen Tag später benannte Werin den Potsdamer Friedrich Bestehorn zum provisorischen Oberbürgermeister. Bestehorn wiederum stellte dem Kommandanten den neuen Magistrat vor. Zu dessen ersten Aufgaben gehörte, die Toten beizusetzen und Lebensmittel und Kohle für 50 Bäckereien sicher zu stellen. Ein ziviler Ordnungsdienst achtete auf den Schutz von Leben und Eigentum. Das war auch bitter nötig: „Als die NS-Verwaltung zusammengebrochen war, regierte die Anarchie“, so Arlt. Die Straßen mussten vom Schutt befreit, die Brücken wieder hergestellt werden. Die zum „totalen Arbeitseinsatz“ rekrutierten Bürger halfen bei der Instandsetzung der Strom- und Wasserversorgung. Bereits am 6. Mai funktionierte das Wassernetz teilweise wieder. Am 7. Mai, am Tag der Unterzeichnung der ersten Kapitulation, teilte die Kommandantur Potsdam in Stadtbezirke ein: Babelsberg, Drewitz, Klein Glienicke und Sacrow bekamen eigene Verwaltungen. In Potsdam und Babelsberg bildeten Sozialdemokraten und Kommunisten die Antifa-Komitees. Diese mussten ihre politische Arbeit nach einem Monat einstellen. Der Grund: Die unabhängigen Komitees standen der Gruppe um Walter Ulbricht im Wege, die von der sowjetischen Besatzungsmacht gefördert wurde. „Die politischen Fäden wurden ganz am Anfang gestrickt“, so der Potsdamer Historiker Thomas Wernicke. Direkt nach dem 8. Mai seien die Weichen für die Teilung Deutschlands gestellt worden.

Juliane Wedemeyer, Christian Klusemann

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