Von Rolando di Primio: Bedeutsame Prognosen
Geoforscher simulieren Entstehung von Öl und Gas
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Das Wissenschaftsjahr 2010 befasste sich mit der „Zukunft der Energie“. In den PNN stellen Wissenschaftler des GeoForschungsZentrums in Potsdam (GFZ) ihre Forschungsprojekte dazu vor.
Ohne Erdöl und Erdgas läuft buchstäblich nichts. Dass effiziente Nutzung der Energie nicht nur wegen des Klimas, sondern auch wegen zu hohen Rohstoffverbrauchs das Gebot der Stunde ist, ist bekannt. Die rationelle Nutzung energetischer Rohstoffe muss schon bei der Erkundung beginnen, zumal das Bohren nach Rohöl nicht nur gefährlich – Beispiel „Deepwater Horizon“ – sein kann, sondern auch sehr teuer, wenn die Bohrung an falscher Stelle nach Öl oder Gas sucht.
Computer sind auch hier ein unverzichtbares Werkzeug der Geowissenschaften. Am Potsdamer GeoForschungsZentrum GFZ untersucht man, wie sich die Lagerstätten bilden, wo sie zu finden sind und wie das darin enthaltene Erdöl oder -gas altert. „Beckenmodellierung“ nennt sich dieser junge Wissenschaftszweig, denn die Lagerstätten dieser energetischen Rohstoffe finden sich in diesen geologischen Strukturen namens Sedimentbecken.
Sedimentbecken sind Räume, wo sich die Erdkruste abgesenkt hat. In ihnen lagern sich Sedimente ab, die durch Flüsse oder gar Meere dorthin transportiert werden. Immer neue Sedimentschichten werden abgelagert, eine auf die andere. So geraten diese dicken Sedimente immer tiefer, bis sie unter hohem Druck und hoher Temperatur stehen, so dass die organischen Bestandteile wie Algenreste oder Pflanzen erst zu einer homogenen organische Masse namens Kerogen zusammengebacken werden, welches dann bei steigendem Druck und Temperatur zu Erdöl und Erdgas zersetzt wird. Organisch-reiche Sedimentgesteine die Erdöl oder Erdgas generieren, werden Muttergesteine genannt. Soweit die Lehrbuchvorstellung. Die Realität ist natürlich komplizierter, aber sie lässt sich in Computersimulationen, also Modellen, nachvollziehen.
Dazu muss man einiges wissen, etwa die Entstehungsgeschichte und die geologischen, chemischen, biologischen und physikalischen Prozesse, die über Jahrmillionen der Beckenentwicklung ablaufen. Erdöl und Erdgas kommen, je nach Muttergestein, in sehr unterschiedlicher Qualität und Menge vor. So bestehen organisch reiche Seesedimente, die in sauerstoffarmen Binnenseen abgelagert wurden, vor allem aus Algenresten. Daraus kann hochwertiges Erdöl entstehen. Aber auch Ablagerungsräume im Meer eignen sich zur Sedimentation und Erhaltung von organischem Material, vor allem, wenn die Sedimente am Meeresboden unter Abschluss von Sauerstoff abgelagert werden.
In Meeresablagerungen entstanden die meisten der Erdöl-Muttergesteine der Welt, etwa in der Nordsee oder im Mittleren Osten. Festländische Ablagerungen wiederum bilden besonders in den Sedimenten der Flussdeltas fossile Lagerstätten. Moore und Torfe sind Ausgangsmaterialien für die Braun- und nachfolgend Steinkohlenbildung. Will man die Entstehung von Erdöl oder Erdgas im Computer simulieren, müssen die ablaufenden chemischen Prozesse nachvollzogen werden, und zwar für die verschiedenen Typen organischen Materials, denn der organische Abbau beispielsweise von Algen verläuft anders als der von Laub.
In Verbindung mit Labormethoden kann man damit die Zusammensetzung der entstehenden Öle und Gase in Abhängigkeit von wechselnden Temperatur- und Druckverhältnissen berechnen. Das setzt man dann in ein Computermodell einer geologischen Beckenstruktur ein. Solche Simulationen erlauben nicht nur die Berechnung, wo und wann Kohlenwasserstoffe entstehen, sondern auch, welche Kohlenwasserstoffe – Erdöl oder Erdgas – sich ausbilden. Diese Art der Modellierung ist ein wichtiges Hilfsmittel, denn das vergebliche Anbohren einer Lagerstätte kann bedeuten, eine Millioneninvestition buchstäblich zu versenken, Bohren ist nämlich, wie gesagt, sehr teuer.
Eine solche Computersimulation benötigt, wie immer in den Geowissenschaften, eine riesige Datenmenge. Ein Beckenmodell muss die zeitliche Abfolge von Ablagerungs- und Erosionsprozessen, aber auch etwaige Brüche und Verschiebungen im Gestein berücksichtigen. Es muss die Ablagerungseigenschaften des Sedimenttyps (z.B. Tonstein, Kalkstein, Sandstein) und die Entwicklung der physikalischen und chemischen Eigenschaften der Ablagerung beschreiben. Hinzu kommt, dass die Gesteine in langen Zeiträumen immer tiefer absinken und dabei weniger porös und permeabel werden. Kurzum, eine Vielzahl von geologischen, physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften müssen in so ein Modell eingebaut werden.
Am Ende der Berechnungen steht eine Reproduktion des jetzigen Zustandes des Beckens. Aber woher weiß man, ob das Errechnete richtig ist? Zur Überprüfung der Modellergebnisse benutzt man Vergleichsdaten, also Messungen des heutigen Zustands des Beckens mit Größen wie Temperatur, Druck, Porosität und Durchlässigkeit des Gesteins. Diese Daten stammen aus umfangreichen Laboruntersuchungen.
Letztlich bestimmen alle diese Prozesse die Gesamtkosten für die Ausbeutung einer Erdöllagerstätte. Diese Verfahren zur Vorhersage von Menge und Güte des Erdöls sind wichtige Voraussetzungen für eine effizientere Nutzung dieser Art fossiler Energiequellen.
Professor Rolando di Primio ist Wissenschaftler in der GFZ-Sektion „Organische Geochemie“.
Rolando di Primio
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