zum Hauptinhalt

Ausgesprochen KAPUSTE: Behagliches Siezen

Das Alter hat auch Vorteile. Zum Beispiel gerät man kaum in Gefahr, das „Du“ aufgedrängt zu bekommen oder ohne Ankündigung, einfach so, geduzt zu werden.

Stand:

Das Alter hat auch Vorteile. Zum Beispiel gerät man kaum in Gefahr, das „Du“ aufgedrängt zu bekommen oder ohne Ankündigung, einfach so, geduzt zu werden. Ich halte am Siezen fest, halte es für eine Wohltat, obwohl ich das Duzen zwischen jungen Leuten durchaus in Ordnung finde – das früher streng gehandhabte Siezen hatte denn doch seine Merkwürdigkeiten, so, wenn in manchen Berufen Lehrlinge gerade mal ein Jahr ältere Gesellen siezen sollten, aber von diesen geduzt wurden. Dass Charles de Gaulle seine Frau siezte, angeblich auch im Bett, galt allerdings schon in meiner Jugend als skurril.

Früher hieß es beim Militär „Kein Duzen vor der Front!“, und das galt im übertragenden Sinn auch für alle seriösen Unternehmen und Institutionen. Heute muss man sich dagegen bei Vereinen, Parteien, Verwaltungen, Ministerien, Verbänden und im Fernsehen selbst von Ministerpräsidenten, Oberbürgermeistern und sonstigen Personen aus den Chefetagen ein schrankenloses Geduze anhören: „Sigmar, dein Vorschlag war wieder Spitze – Wir freuen uns, dich, liebe Katherina, heute – Wie vorhin schon Matthias meinte“ und so weiter und so fort, heißt es dann.

Duzen gilt als modern, locker und offen, als ein Eintritt in eine freundliche, unkomplizierte Welt. Dass sich dadurch etwas im Miteinander der Menschen ändert, wage ich allerdings zu bezweifeln. Wenn es darauf ankommt, wird genauso intrigiert, hinter dem Rücken schlecht geredet, jemand im Stich gelassen und für dämlich, inkompetent und nervend gehalten wie bei den siezenden Fossilien meines Alters.

Schlimm ist es, wenn das Duzen in Firmen zur sogenannten Firmenkultur gehört und so getan wird, als wären durch dieses „Friede, Freude, Eierkuchen“ die lästigen Gewerkschaften und Betriebsräte überflüssig. Man versteht sich doch bestens! Und problematisch wird es, wenn durch jahrelanges Duzen auf das Engste miteinander verbundene Leute Krach bekommen und zurückrudern wollen, aber nicht wissen, wie. Dann wird, wenn überhaupt, nur noch in der dritten Person miteinander redet, mit vielen „man“ und Konjunktiven.

Es ist klar, dass in unserer von Anglizismen überschwemmten Umgangssprache nicht die Ausrede fehlen darf, im Englischen gebe es doch auch nur das „you“. Ausgerechnet das Englische! An dessen Aussprache erkennen Engländer sofort, welcher Klasse, welcher Schicht man angehört und welche Schulen und Universitäten man besucht hat.

Übrigens: Diese Kolumne habe ich wie üblich an Sabine und Peer in der PNN-Redaktion gemailt. Ob Peter sie auch zu sehen bekommen hat, weiß ich nicht.

Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.

Eberhard Kapuste

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })