Landeshauptstadt: Behelfsheim mit Gartenland
Als Peter-Kühne-Siedlung für ausgebombte Eisenbahner entstanden: die Kleingartenanlage Lindengrund
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Als Peter-Kühne-Siedlung für ausgebombte Eisenbahner entstanden: die Kleingartenanlage Lindengrund Von Erhart Hohenstein Brandenburger Vorstadt. Wer nahe der Forststraße das Gelände mit dem romantischen Namen „Lindengrund“ betritt, wird dort all die Blumenrabatten, Gemüsebeete und Obstbäume finden wie in jeder anderen Kleingartenanlage auch. Jetzt im März sind die Pächter dabei, die zum größten Teil vorbildlich gepflegten 52 Parzellen auf den Sommer vorzubereiten. Wundern wird sich der Besucher allerdings über die in Reih und Glied stehenden Doppelhäuschen, die mit ihren Spitzdächern so gar nicht den in Gärten üblichen Lauben und Bungalows gleichen. Eher ähneln sie auf Untergröße geschrumpften Eigenheimen, und das waren sie auch. Als 1943/44 immer mehr Berliner durch die Luftangriffe ihre Wohnungen verloren, hatte der hohe Reichsbahnbeamte Peter Kühne die Idee, für ausgebombte Eisenbahner Behelfsheime errichten zu lassen. An der Potsdamer Forststraße fand er dafür das geeignete Gelände. Jedem Häuschen wurde 300 Quadratmeter Gartenland zugeordnet, in diesen Notzeiten eine für die Eigenversorgung mit Kartoffeln, Gemüse und Obst hochwichtige Ergänzung. Auch größere Familien zogen in die winzigen, aus zwei Zimmerchen mit insgesamt knapp 30 Quadratmeter Grundfläche bestehenden Häuschen ein. Manche bauten den Dachboden zum Schlafplatz aus. Unterkellert waren die Behelfsheime nicht, und so entstand drumherum ein Gewirr von Schuppen,die auch das Plumpsklo aufnahmen. Bis 1984 hielten die letzten zwei die vor allem im Winter unwirtlichen Bedingungen aus, dann setzte sich selbst beim damaligen Rat der Stadt die Erkenntnis durch, dass die Peter-Kühne-Siedlung für das Wohnen nicht mehr geeignet war. Das idyllisch im Grünen gelegene Gelände löste Begehrlichkeiten aus. Am schnellsten reagierte der Kleingärtnerverband, dessen Kreissekretär damals Friedrich Niehaus war, was er auch heute, nun als Geschäftsführer, noch ist. Er gründete einen Verein und taufte ihn auf den Namen Lindengrund. Die Häuschen wurden renoviert, die Schuppen bis auf jeweils einen abgerissen, der Boden trug wieder reiche Ernte. Die Behelfsheimsiedlung erhielt ihren ursprünglichen Gesamteindruck zurück. Der Verein schrieb eigens fest, dass er auch für die Zukunft bewahrt werden sollte. Friedlich grünte und blühte der Lindengrund, aber das sollte nicht so bleiben. Im Bauboom nach 1990 wollte ein Investor, unterstützt vom damaligen Baustadtrat Detlef Kaminski, wie auf dem gesamten ausgedehnten Kleingartengelände in Potsdam-West hier Hotels und Stadtvillen errichten. Zu dieser Zeit leitete den Verein der agile Walter Kuß, der als Fußballer, später Schiedsrichter und als Kenner der Stadtgeschichte in Potsdam bekannt ist wie ein bunter Hund. Er hatte die scheinbar rettende Idee, als er für die Siedlung Denkmalschutz beantragte. Bei der Begehung machte eine gerade erst hinzugekommene Pächterin aber törichterweise auf einige stilwidrige Veränderungen an den Häusern aufmerksam, und das erleichterte der Denkmalschutzbehörde ihre negative Entscheidung. Dennoch haben Einsatzfreude und Kampfgeist von Walter Kuß die Vereinmitglieder offensichtlich nachhaltig eindruckt. Der jetzige Vorsitzende tritt gesundheitsbedingt zurück, und da erreichte Kuß ein Anruf, ob er denn nicht wieder an die Spitze des Vereins treten wolle. Aber das möchte sich der 82-Jährige dann doch nicht aufladen. Der Bauboom ist abgeflaut, und die Häuschen im Lindengrund stehen immer noch. Damit ist nach wie vor Gelegenheit, die in ihrer Art einmalige Anlage als Denkmal zu schützen.
Erhart Hohenstein
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