zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Bei Regelverstoß 40 Liegestütze

Der Schulalltag von Mi Hui ist streng. Das findet die 15-Jährige normal. Sie will später einen guten Job

Stand:

Es ist sechs Uhr. Widerwillig steht Mi Hui auf. Die Nacht war kalt, der Schulcampus in der chinesischen Provinz Yunnan ist noch dunkel. Mi Hui klettert von ihrer bescheidenen Schlafstatt herunter. Sie muss sich nicht anziehen, sie hat wie ihre neun Zimmergenossinnen in ihrer Kleidung geschlafen. Draußen wird kräftig auf der Triller gepfiffen. Die 500 Schüler versammeln sich frierend auf dem noch dunklen Schulhof. Alle sind ruhig, hängen ihren Träumen nach. Die Schüler stellen sich in den Klassen der Größe nach auf und fangen an im Gleichschritt um den Sportplatz zu rennen. Dazu brüllt die Gruppe „1,2,3,4“, um nicht aus dem Gleichschritt zu kommen. Nach fünf Runden geht es in die Klassen. Man erkennt wenig von den Büchern, das Licht geht nicht, aber bald wird es heller. Den gesamten Vormittag über wird diszipliniert gelernt, ein Lehrer steht vor der Klasse und sagt vor. Die Schüler sprechen alles nach, so wird hier gelernt. In der Pause um kurz vor 12 wird gefegt, gescherzt,wiederholt. Jeden Freitag werden auch die Fenster in den Klassenräumen geputzt. An jedem zweiten Wochenende dürfen die Schüler nach Hause. Mi Hui kann das nächste Wochenende kaum erwarten, ihre Mutter liegt sehr krank zu Hause. Mi Hui kann sie nicht anrufen, es gibt kein Telefon, sie muss sich also gedulden. Die Schule ist wichtig für das chinesische Mädchen. Sie ist in der 9. Klasse, in der Abschlussklasse. Sie übt Tag und Nacht, um das Examen zu schaffen, nur dann hat sie eine Chance auf die Weiterführende Schule und später das Studium und Arbeit, mit der sie ihre Familie ernähren kann.

Ihre Freundin Zhao Ying Yian kommt. „Na du Elefant?“ ruft sie ihr entgegen. Mi Hui ist etwas dicker als die anderen. Für unsere Verhältnisse ist sie schlank, und sieht mit ihren 15 Jahren noch sehr jung aus. Die Jugendlichen werden streng geleitet, treffen die wenigsten Entscheidungen selbst. Dadurch wirken gleichaltrige Schüler auf mich jünger und weniger verantwortungsbewusst. Mi Hui ist da eine Ausnahme und wird deshalb oft gehänselt. Die beiden Freundinnen gehen essen. Es gibt Reis mit scharfem Gemüse. Die Schüler stehen mit ihren Schüsseln an. Es gibt eine Jungen- und eine Mädchenreihe, und die Jungen sitzen getrennt von den Mädchen. „Jungs denken anders“, sagen die Mädchen.

Jetzt sind die Mägen voll, alle gehen in ihre Zimmer. Nach dem Essen wird eine Stunde geschlafen. Draußen patrouillieren Lehrer. Wer jetzt aufs Klo muss hat nachher noch 40 Liegestützen zu machen. Das ist richtig, findet Mi Hui, man soll sich an die Regeln halten. Und, wer das nicht macht, muss auch bestraft werden.

Das Leben von Mi Hui besteht hauptsächlich aus Schule. Für uns ist diese Strenge ungewohnt, die Schüler hier sind fröhlich und lachen viel. Mi Huis größter Wunsch ist es, andere Länder zu sehen; sie hofft auf gute Arbeit und dass ihre Familie irgendwann in einem richtigen Haus leben kann. Im Moment bangt sie noch um die Gesundheit ihrer Mutter. Josefine Markarian

Unsere Autorin ist 15 Jahre alt und lebt mit Eltern und Geschwistern für ein Jahr in China

Josefine MarkarianD

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })