Landeshauptstadt: Beim Bauen war der König König
Potsdams Adelsfamilien traten im 18. Jahrhundert kaum als Bauherren auf
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Potsdams Adelsfamilien traten im 18. Jahrhundert kaum als Bauherren auf Von Erhart Hohenstein Im Potsdam des 18. Jahrhunderts errichtete der Hof- und Stadtadel keine Paläste. Hier hatte allein der König das Sagen und trat mit wenigen Ausnahmen selbst als Bauherr auf. Er wählte die Standorte der Bauten aus und bestimmte ihre Architektur. Zudem hatten die Gebäude, die er dann häufig an Adlige verschenkte, nur selten das mondäne Aussehen eines Palais, sondern waren eher Wohnhäuser mit anspruchsvoller Architektur. Zu diesen Ergebnissen kam der Kunsthistoriker Dr. Klaus Schulte, der den Beitrag des Stadt- und Hofadels zur Potsdamer Baukunst untersucht hat. Schulte erläuterte seine Untersuchungen kürzlich vor einer großen Besucherschar in der Akademie 2. Lebenshälfte Für die Zeit Friedrich Wilhelms I. konnte er mit dem Finanzminister August von Boden (Am Kanal 13, Ecke Französische Straße, 1945 zerstört), Major von dem Knesebeck (Henning-von-Tresckow-Straße 11) und dem Chef des Leibbataillons Andreas Jochen von Kleist (Mammonstraße 5, nicht erhalten) nur wenige Adlige als Bauherren nachweisen. Aus friderizianischer Zeit verdient das 1752 von Knobelsdorff errichtete Ingerslebensche Haus in der Henning-von Tresckow-Straße 13 mit seiner vornehm gegliederten Fassade und der anspruchvollen Bauplastik die Bezeichnung Adelspalais. Auch hier war aber der König der Bauherr. Es wird heute vom Polizeipräsidium genutzt. Sehenswert ist ebenso das vom Stromversorger E.-dis übernommene und restaurierte älteste barocke Typenhaus Am Kanal 7, das ab 1773 Henri Alexandre de Catt gehörte. Für den Vorleser Friedrichs des Großen wurde es durch Unger um das Gebäude Berliner Straße 10 erweitert. Aber das waren Ausnahmen. Noch im Adresskalender von 1806 werden von 125 Adligen nur 20 als Hauseigentümer genannt. 100 wohnten zur Miete und meist nur zeitweilig in Potsdam. Ihr Hauptwohnsitz blieb das Herrenhaus auf dem Lande. Dies ändert sich erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Vorstädte bebaut wurden – nun aber nicht mehr allein durch Adelsfamilien, sondern auch durch das wohlhabende Bürgertum. Ein Beispiel dafür ist die vermutlich 1824 errichte Villa Berliner Straße 130, die 1911 für den königlichen Flügeladjutanten Baron Fritz von Kleist umgebaut wurde, und heute, prachtvoll restauriert, von einer Bank genutzt wird. Klaus Schulte wies allerdings darauf hin, dass eine ganze Anzahl dieser wertvollen Baudenkmale, so die Villa Schöningen, die Villa Carlshagen oder die Villa Gutmann, noch immer leer stehen und mehr und mehr verfallen. Ein Gegenbeispiel ist das bis 1994 vom russischen Geheimdienst genutzte Viertel am Neuen Garten, wo zahlreiche lange vernachlässigte Gebäude in altem Glanz erstrahlen. Hier ist auch für den Adel noch lange nach dem Ende der Monarchie gebaut worden. In den 30er Jahren hat sich dabei vor allem das Architekturbüro v. Estorff und Winkler einen Namen gemacht. Von ihm stammt u. a. das Landhaus Höhenstraße 1-2 für die Familie von Oppen, deren Sohn Georg-Sigismund am Umsturzversuch des 20. Juli 1944 beteiligt war, und Schwanenallee 5, wo Felicitas von Luckhardt wohnte, die Frau des deutschen Gesandten in Albanien. Die Ergebnisse seiner zweijährigen Forschungsarbeit will Dr. Klaus Schulte in einer Publikation einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Sie könnten außerdem wesentlich zur Einrichtung eines „Baukunstpfades“ beitragen, wie ihn das von Architekt Norbert Blumert geleitete Potsdamer Baukunstforum vorgeschlagen hat. Durch Einbeziehung einiger der durch Schulte untersuchten 42 Bauwerke in den blau markierten Pfad würde Touristen eine bisher weitgehend unbekannte Seite des Stadtlebens zwischen 1660 und 1945 erschlossen.
Erhart Hohenstein
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