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Aus dem GERICHTSSAAL: Bereitschaftsarzt wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt

Erlitt 75-Jähriger zum Zeitpunkt des Notrufs Herzinfarkt? / Gericht will Rechtsmediziner einschalten

Stand:

Willi W.* (75) war seit einer Woche stark erkältet. Sein Hausarzt verschrieb ihm Medikamente, wies die Ehefrau des Demenzkranken an, ihm bei Bedarf ein Antibiotikum zu verabreichen. In der Nacht zum 23. Oktober 2007 klagte der Rentner über Atemnot und Schmerzen in der Brust – mögliche Zeichen eines Herzinfarkts. Die Gattin wählte die 112, wurde allerdings an den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst verwiesen. Der diensthabende Arzt soll ihr geraten haben, dem Kranken das Antibiotikum zu geben. Sollten sich die Beschwerden verschlimmern, möge sie nochmals den Feuerwehrnotruf wählen. Das tat sie dann auch. Willi W. wurde ins St.-Josefs-Krankenhaus gebracht, von dort per Rettungshubschrauber in eine Berliner Klinik geflogen. Er hatte tatsächlich einen Infarkt erlitten, konnte jedoch gerettet werden. Waltraud W., die Ehefrau, erstattete gegen den Kassenarzt Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung. Daraufhin wurde er per Strafbefehl zur Zahlung eines Monatsgehalts verurteilt. Doch der Mediziner legte Einspruch gegen diese Sanktion ein.

In der gestrigen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht bestritt Wladimir W.* (49) den Vorwurf. Der gebürtige Ukrainer arbeitet als Arzt in einer Berliner Obdachlosenpraxis. In jener Nacht übernahm er die Vertretung für eine Ärztin aus Potsdam. Der Anruf von Waltraud W. habe ihn während der Fahrt zu einem anderen Patienten erreicht. „Sie sagte, ihr Mann habe seit Tagen schmerzhaften Husten, sei deswegen auch schon beim Arzt gewesen. Ich dachte an eine Bronchitis oder Lungenentzündung und teilte ihr mit, es würde eine Weile dauern, bis ich kommen kann“, so der Angeklagte. „Ich empfahl ihr, notfalls nochmals die 112 zu alarmieren.“ „Mein Mann kriegte plötzlich keine Luft mehr. Die Notrufzentrale der Feuerwehr verwies mich an den Bereitschaftsarzt“, berichtete Waltraud W.* (75). „Ich habe ihm seine Probleme geschildert und sagte ihm auch, dass der Hausarzt eine Bronchitis festgestellt hätte.“ Wladimir W. habe ihr empfohlen, per Taxi zur Nachtapotheke zu fahren und eine entsprechende Medizin zu besorgen. „Er hat nicht gesagt, was ich machen soll, falls sich sein Zustand verschlimmert. Als ich zurückkam, lag mein Mann auf dem Boden. Seine Sachen waren klatschnass geschwitzt. Da habe ich noch mal die 112 angerufen.“ Kurz darauf sei der Feuerwehr-Notarzt eingetroffen. Er habe sofort einen Herzinfarkt vermutet, berichtete die Zeugin. Willi W. kann sich wegen seines Gesundheitszustandes nicht an den Vorfall erinnern. Die Richterin sah allerdings weiteren Aufklärungsbedarf. Sie setzte die Verhandlung aus, will einen Rechtsmediziner einschalten. Der soll bestätigen, wann genau Willi W. den Herzinfarkt erlitt (*Namen geändert.) Hoga

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