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Pause muss auch mal sein. Stefan Glowacz (r.) und Robert Jasper bewundern am Morgen die Aussicht über den Buchan Gulf in der Eiswüste von Baffin Island.

©  promo / Klaus Fengler

Sport: „Berge sind Inbegriffe der Herausforderung“ Stefan Glowacz, einer der weltbesten Wettkampfkletterer, spricht heute in Potsdam

Herr Glowacz, was kann ausgerechnet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft von Ihnen, einem der weltweit erfolgreichsten Wettkampfkletterer und Hochleistungs- Abenteurer, lernen?Ja, die Frage wird mir oft gestellt.

Stand:

Herr Glowacz, was kann ausgerechnet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft von Ihnen, einem der weltweit erfolgreichsten Wettkampfkletterer und Hochleistungs- Abenteurer, lernen?

Ja, die Frage wird mir oft gestellt. Als ich vor der Nationalmannschaft kurz vor der Weltmeisterschaft einen Vortrag hielt, befanden die Sportler sich im gewissen Sinne auf einer Expedition. Sie lebten für einen langen Zeitraum auf engstem Raum zusammen und waren sehr hohem Druck ausgesetzt. Alles Faktoren, die auch ich kenne. Und so konnte ich ihnen eine andere Sichtweise auf solche Situationen und wie man damit umgeht aufzeigen.

Fußball ist zwar ein Mannschaftssport. Doch je höher die Liga, so scheint es, umso mehr Individualisten mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein begegnen uns auf dem Spielfeld. Ist ein Fußballer nicht ähnlich wie ein Kletterer auch ein Einzelkämpfer?

Natürlich sind wir Kletterer ähnlich wie Fußballer. Wir sind Einzelkämpfer, Hochleistungsindividualisten. Aber wir müssen auch die Fähigkeiten wie ein Fußballer besitzen, in bestimmten Situationen, bei bestimmten Expeditionen das eigene dem gemeinsamen Ziel unterzuordnen.

Nun kämpft der Fußballer vor Publikum, Sie zieht es regelmäßig ans Ende der Welt. Was ist der Reiz daran, ausgerechnet in den Nordosten Kanadas zu reisen und dort in der gottverlassenen Eiswüste von Baffin Island durch fast senkrechte Felswände zu klettern?

Berge sind einfach der Inbegriff einer Herausforderung und der Gipfel ist ein klar definiertes Ziel. Insofern haben wir Kletterer es relativ einfach. Sehen wir einen Berg, von dem wir begeistert sind, sagen wir, dass wir entweder auf dem Gipfel stehen oder durch eine ganz bestimmte Wand klettern wollen. Davon ausgehend kann ich mir dann ein Konzept erstellen, um dieses Ziel zu erreichen. Und je schwieriger die Wände sind, je abgelegener diese Berge liegen, umso aufwendiger wird dieses Konzept.

Aber wäre ein Berg wie der Mount Everest nicht Reiz genug?

Der Mount Everest oder auch die anderen Achttausender interessieren mich immer mehr, das muss ich zugeben. Ich werde bald eine Expedition auf einen Siebentausender unternehmen um zu testen, wie ich auf diese Höhe unter entsprechender Höchstleistung überhaupt reagiere. Aber noch bin ich zu sehr von diesen Wänden in den entlegensten Gegenden der Welt fasziniert, die man eigentlich nur vom Hörensagen kennt.

Also der Reiz des Unbekannten?

Ja, denn die meisten Berge sind über diverse Routen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden bereits erstiegen. Aber das reizt mich nicht mehr. Ich bin da ein Entdecker, der sein eigenes, ein gänzlich neues Ziel finden möchte. Und darin liegt für mich auch die Herausforderung: Bergsteigen ist für mich immer ein bewusst provozierter Gang an meine mentale und körperliche Leistungsgrenze.

Oft liest man in Büchern von Bergsteigern und ihren Erfahrungen in den Extremen eine philosophischen Note heraus, mit der sie ihre Begeisterung und die damit verbundenen Herausforderungen erklären. Hat das Klettern auch für Sie eine solche überhöhte Dimension?

Jeder empfindet das Bergsteigen natürlich ganz individuell. Aber ich habe da so mein Problem, wenn sich Bergsteiger ins Philosophische versteigen, um so ihr Tun zu erklären. Es geht natürlich um Grenzerfahrung, die wir bewusst suchen, weil wir neugierig sind, wie wir in bestimmten Situationen reagieren. Aber deswegen das alles auf eine philosophische Ebene zu stellen? Oftmals ist es einfach auch nur so, dass es total viel Spaß macht zu klettern, sich zu bewegen und sich mit anderen zu messen.

Dieses Bedürfnis, sich messen zu wollen, eigene Leistungsgrenzen auszutesten, ist in unserer Gesellschaft mittlerweile sehr verbreitet, wenn man sich allein nur die anhaltende Begeisterung für Marathonläufe oder Triathlonwettkämpfe anschaut. Ihre Form der individuellen Grenzerfahrung mutet aber doch noch sehr exotisch an.

Die Bereiche, in denen ich unterwegs bin, die sind für die meisten Menschen doch sehr exotisch. Aber Sie haben recht, das Bedürfnis, sich selbst zu spüren, ist sehr stark. Allein das Bergwandern hat in den vergangenen Jahren einen erheblichen Zulauf erfahren. Ich hoffe, dass ich die Leute durch meine Vorträge zum Träumen von solchen Abenteuern bringen kann und vielleicht auch dazu anrege, auf ihrem Niveau sich selbst auszuprobieren.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Stefan Glowacz spricht am Freitag, 23. Oktober, in der Waschhaus Arena, Schiffbauergasse, über seine Abenteuer „Am Ende der Welt“. Eintritt an der Abendkasse kostet 13 Euro

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