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Landeshauptstadt: Bertiniweg-Grundstücke: Billig gekauft, teuer angeboten

Stadt veräußerte beste Jungfernsee-Lage weit unter Bodenrichtwert / Siedlern Vorkaufsrecht verweigert / Heute Anhörung vor dem Potsdamer Amtsgericht

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Nauener Vorstadt - Die Stadt Potsdam hat knapp 12 000 Quadratmeter beste Uferlage am Jungfernsee zu einem Preis verkauft, von dem Otto-Normal-Häuslebauer im Bornstedter Feld nicht zu träumen wagt. Ein Rechtsstreit zwischen Anwohnern am Bertiniweg mit der Landeshauptstadt Potsdam spült Details eines Grundstückdeals an die Oberfläche, die Kenner des Potsdamer Grundstückmarktes nur staunen lassen. Per Kaufvertrag vom 19. April 2011 hat die Stadt Potsdam ein genau 11 604 Quadratmeter großes Areal am Bertiniweg, 44 Flurstücke, für einen Kaufpreis von 875 000 Euro an eine Privatfirma beziehungsweise zwei Grundstücke persönlich an deren Inhaber verkauft. Der Quadratmeterpreis: 75 Euro und 40 Cent. Zum Vergleich: Wer im Bornstedter Feld ein Einfamilienhaus-Grundstück kauft, zahlt 183 Euro pro Quadratmeter – ohne Seeblick.

Die Eigner scheinen die Filetlage der von ihnen gekauften Grundstücke gut zu kennen: Im Internet bieten sie die Flächen mit Elitelage derzeit zu Quadratmeterpreisen zwischen 300 und 450 Euro an. Die Bodenrichtwertkarte gibt für die Gegend einen Preis von 290 Euro pro Quadratmeter an. Zum Zeitpunkt des Grundstücksverkaufs war die  Firma noch in Gründung, sie ist laut gestriger Information des Amtsgerichts erst seit dem 15. Juni dieses Jahres im Handelsregister eingetragen.

Der Rechtstreit der Bertiniweg-Anwohner mit der Stadt Potsdam findet am heutigen Tag im Potsdamer Amtsgericht mit einer Anhörung seinen Auftakt. Die Anwohner sind seit den 1970er Jahren Siedler auf dem an die Firma verkauften Grundstück. In den 1990er Jahren erhielten einige auf den von der Stadt gepachteten Grundstücken Baugenehmigungen. Sie klagen nun auf Gewährung ihres Vorkaufsrechtes gemäß Schuldrechtsanpassungsgesetz. Die Stadt Potsdam argumentiert dagegen mit dem Investitionsvorranggesetz zur Schaffung neuen Wohnraums. Projektbeteiligte sprechen von einer juristischen „Frechheit“, zugunsten von wenigem elitären Wohnraum mit dieser Rechtsargumentation Hausbesitzer zu vertreiben. Viele Bungalowbesitzer haben den Bertiniweg bereits verlassen. Die Stadt Potsdam schreibt in einer Stellungnahme an das Amtsgericht von „der Absiedlung der vorhandenen Nutzer“.

Die Stadt Potsdam, die gestern mitteilte, sich öffentlich nicht äußern zu wollen, beziffert den Wert der knapp 12 000 Quadratmeter in ihrem im Dezember 2010 beschlossenen Antrag für die Stadtverordneten mit etwas über 1,2 Millionen Euro – 100 Euro pro Quadratmeter. Basis ist ein Gutachten vom September 2007. Pikant: 2005 ging die Stadt in ihrer Begründung für die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 60 „Bertinistraße“ noch von einem Grundstückswert von 2,37 Millionen Euro aus. Ein Immobilienexperte sagte dazu gegenüber den PNN, es gebe in der ganzen Stadt Potsdam kein Grundstück, dessen Preis sich in letzten sechs Jahren halbiert hat.

In ihrem Stadtverordnetenantrag zu dem Grundstücksverkauf begründet die Stadtverwaltung den niedrigen Verkaufspreis mit Erschließungskosten über 446 000 Euro sowie Kosten für die Flurneuordnung sowie -herrichtung über 233 000 Euro, die die Käufer zu tragen hätten. Ferner seien laut einem Gutachten 498 000 Euro als Entschädigung an die Siedler zu zahlen. Allerdings tauchen diese 498 000 Euro im Kaufvertrag nicht mehr auf. Ein Siedler, mit dem die PNN sprachen, glaubt, dass bislang höchstens 100 000 Euro an Entschädigungen gezahlt wurden.

„Wir haben das Risiko mitgekauft“, begründeten gestern die Erwerber den Kaufpreis. Niemand habe ahnen können, dass es mit den Pächtern so gut klappen würde. Mit sieben von ihnen habe sie sich gütlich einigen können. Ihr Unternehmen habe ferner die Abrisskosten zu tragen, zudem wolle sie eine Privatstraße errichten, für die vorgestern der Bauantrag gestellt worden sei. Der Kaufpreis begründe sich zudem damit, dass die Stadt seit 2008 vergebens versucht habe die Fläche zu verkaufen. Auch die städtische Pro Potsdam GmbH habe sie nicht haben wollen. Von den nun im Internet angebotenen Grundstücken sei noch nicht eines verkauft worden.

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