Landeshauptstadt: Bertiniweg: Stadt verliert erneut
Landgericht bestätigt Amtsgericht: Es bestanden Vorkaufsrechte der Anwohner
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Nauener Vorstadt - Weitere juristische Schlappe für die Potsdamer Stadtverwaltung: Im Streit um Vorkaufsrechte der Anwohner des Bertiniwegs hat das Landgericht am Mittwoch die Entscheidung des Amtsgerichtes voll bestätigt und den Berufungsantrag der Stadt Potsdam zurückgewiesen. Nun kommen auf die Stadt Schadensersatzforderungen zu – nach PNN-Informationen in Höhe von bis zu mehreren Hunderttausend Euro. Der Rechtsanwalt der auf Gewährung von Vorkaufsrechten klagenden Anwohner, Gregor Lethen, erklärte, er habe bei der Stadt Potsdam bereits Antrag auf Schadensersatz gestellt. Sollte die Stadt darauf nicht eingehen, droht Lethen mit weiteren rechtlichen Schritten: Er werde die Forderung, basierend auf den Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts, „im Wege einer Klage durchsetzen“.
Die Stadt Potsdam hatte im Frühjahr 2011 knapp 12 000 Quadratmeter Grundstücksflächen am Bertiniweg an die Potsdamer BTW GmbH für 875 000 Euro verkauft. Darunter befand sich auch das 1200 Quadratmeter große Pachtgrundstück der nun klagenden Anwohnerfamilie. Diese nutzte das Areal seit 1976 als Wochenendgrundstück, Anfang der 1990er Jahre errichtete sie mit einer Baugenehmigung der Stadt ein Wohnhaus. Noch 1995 sicherte das Oberbürgermeisterbüro von Horst Gramlich (SPD) schriftlich die Gewährung des Vorkaufsrechtes im Falle eines Grundstücksverkaufs zu (PNN berichteten).
Der Vorsitzende Richter am Landgericht, Odenbreit, begründete die Entscheidung am gestrigen Mittwoch so: Es habe zwischen der Stadt und den Pächtern immer ein Verhältnis gemäß Schuldrechtsanpassungsgesetz gegeben. Dieses sieht im Fall eines Verkaufs von Pachtflächen, auf denen Eigenheime errichtet wurden, ein Vorkaufsrecht durch die Anwohner vor. Dass dieses Gesetz im konkreten Fall durch das Investitionsvorranggesetz außer Kraft gesetzt wird, wie von der Stadt vorgebracht, „sehen wir nicht und folgen dem Amtsgericht vollumfänglich“, erklärte der Richter.
In einer ersten Reaktion forderte der Stadtverordnete Wolfhard Kirsch (Bürgerbündnis) Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) auf, „politische und personelle Konsequenzen zu ziehen“. Kirschs Forderung bezieht sich auf den Bürgermeister, Finanzbeigeordneten und Vorgesetzten des städtischen Rechtsamts, Burkhard Exner (SPD). Das Schuldrechtsanpassungsgesetz, das Vorkaufsrechte vorsieht, „kennt jeder Laie“, erklärte Kirsch erbost. Exner habe von Anfang an klar sein müssen, dass den Anwohnern Vorkaufsrechte zu gewähren seien. Kirsch: „Das Maß ist voll.“ Die Stadt teilte mit, sie werde die Urteilsbegründung prüfen.
Besonderes Augenmerk richtete der Vorsitzende Richter auf die Grundbucheintragung des Grundstücksverkaufs. Er sei „freudig erstaunt über die schnelle Arbeit des Grundbuchamtes“. Das Amtsgericht hatte im Zuge seines Urteils am 7. September 2011 eine einstweilige Verfügung auf Eintrag eines Vorkaufsrechtes für die Anwohner im Grundbuch erlassen. Noch einen Tag vor der Urteilsverkündung, am 6. September, ging beim Grundbuchamt der Antrag der Stadt Potsdam auf Eigentumsumschreibung auf die BTW GmbH ein. Das Grundbuchamt bearbeitete den zuerst eingegangenen Antrag zuerst und daher erfolgte die Grundbuchumschreibung am 12. September 2011 zugunsten der BTW GmbH. Der Vormerkungsantrag der Anwohner kam zu spät.
Daher kann Anwohner-Anwalt Lethen trotz der gewonnenen Verfahren gegen die Stadt das Vorkaufsrecht nicht mehr durchsetzen, da nicht mehr die Stadt, sondern die BTW GmbH laut Grundbuch Eigentümer ist. Daher fordert Lethen nun Schadensersatz von der Stadt. Die Höhe richte sich nach dem Preis, zu dem konkret drei Anwohnerfamilien ihre Grundstücke nun von der BTW GmbH kaufen müssten. Diese vermarktet bereits Bertiniweg-Grundstücke zu einem Quadratmeterpreis von bis zu 450 Euro. Gekauft hat sie von der Stadt für 75,40 Euro.
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