Landeshauptstadt: Bertiniweg-Verkauf „unwirksam“
Innenministerium: Kommunalaufsicht hätte Kaufvertrag genehmigen müssen / Neue Chance für Anwohner
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Nauener Vorstadt - Paukenschlag im Streit um die Bertiniweg-Grundstücke: Der umstrittene Verkauf von knapp 12 000 Quadratmeter Fläche am Bertiniweg durch die Stadt Potsdam an die BTW GmbH ist „schwebend unwirksam“. Der Grund: Der Verkauf im Frühjahr 2011 hätte durch die Kommunalaufsicht genehmigt werden müssen. Das geht aus einer Stellungnahme des brandenburgischen Innenministeriums hervor, die den PNN vorliegt. Darin heißt es: „Materiell ist die Stadt Potsdam noch Eigentümerin des Grundstücks.“ Infolge der entstandenen „Unrichtigkeit“ des Grundbuches haben Anwohner des Bertiniweges nun doch noch die Chance, ein Vorkaufsrecht für ihre seit den 1970er Jahren gepachteten Grundstücke durchzusetzen.
Diese Möglichkeit sieht auch die Stadt, die in einer ersten Stellungnahme gestern Abend mitteilte: „Vorbehaltlich der weiteren Prüfung bedeutet dies, dass ein gesetzliches Vorkaufsrecht, das eine Pächterfamilie aufgrund ihrer Grundstücksnutzung mit einem Eigenheim kürzlich vor dem Landgericht Potsdam in einem Eilverfahren geltend gemacht hat, noch zur Anwendung kommen könnte.“ Die Stadt Potsdam hatte die Existenz von Vorkaufsrechten stets bestritten und sich mit dieser Haltung zwei juristische Niederlagen eingehandelt: Das Landgericht bestätigte in der vergangenen Woche ein Urteil des Amtsgerichtes, wonach die Vorkaufsrechte von der Stadt missachtet wurden.
Die Genehmigungspflicht des Bertiniweg-Verkaufs begründet die Kommunalaufsicht mit der Tatsache, dass ein von der Stadt selbst in Auftrag gegebenes Gutachten einen Rohbauland-Preis von 1,2 Millionen Euro ermittelt hatte, jedoch beim Verkauf nur 875 000 Euro für die Flächen erzielt wurden. „Damit liegt die Voraussetzung für die Genehmigungsfreiheit nicht vor“, heißt es. Genehmigungsfähig sei der Verkauf, wenn der Käufer das Grundstück „mindestens“ für den Wert für Rohbauland in Höhe von 1,2 Millionen Euro kauft. Von diesem Wert könnten ihm die „tatsächlich“ entstandenen Entschädigungskosten für die Absiedelung der Anwohner abgezogen werden. Das Wort „tatsächlich“ ist in der Stellungnahme unterstrichen. Die Stadt hatte den Käufern für Entschädigungen eine halbe Million Euro gutgerechnet, tatsächlich gezahlt wurde jedoch weniger. Die Kommunalaufsicht rügt mehrere Details des Verkaufes. So war das 2008 erstellte Entschädigungs-Gutachten zum Zeitpunkt des Verkaufs „verfristet“, also veraltet. Zudem habe die Stadt bei der Gestaltung des Kaufvertrages „außer acht“ gelassen, dass die Entschädigungssummen für drei Eigenheimbewohner nicht zugunsten der Käufer vom Verkehrswert abgezogen werden durften. Grund: Die Grundstücke hätten an die Nutzer verkauft werden müssen.
Die rechtlichen und finanziellen Folgen der Entscheidungen des Ministeriums sind komplex: Zunächst habe die Stadt aus Sicht der Kommunalaufsicht nun einen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuches. Darauf hätten auch die Anwohner ein Recht, denn nur dann hätten diese eine Chance, noch ihr Vorkaufsrecht eintragen zu lassen. Im September 2011 hatte das Grundbuchamt die BTW GmbH als Käufer eingetragen, obwohl bereits ein Antrag des Amtsgerichtes auf Eintragung des Vorkaufsrechtes für die Anwohner vorlag.
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