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Rechnungsamt prüft: Bertiniweg-Verkauf wird untersucht

Staatsanwaltschaft Potsdam prüft, ob bei dem umstrittenen Verkauf der städtischen Grundstücke der „Anfangsverdacht einer Straftat besteht“.

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Nauener Vorstadt - Der umstrittene Verkauf der städtischen Grundstücke am Bertiniweg wird unter die Lupe genommen. Das Rechnungsprüfungsamt wurde auf Beschluss des Stadtparlaments eingeschaltet, die unabhängige Anti-Korruptions-Beauftragte der Stadt untersucht den Fall und auch die Staatsanwaltschaft Potsdam beschäftigt sich damit. „Wir prüfen, ob der Anfangsverdacht einer Straftat besteht“, erklärte Tom Köpping, Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam. Bei dem „Vorermittlungsverfahren“ werde geprüft, ob ein Verdacht auf Untreue besteht. Die Staatsanwaltschaft habe beim Oberbürgermeister Unterlagen zum Grundstücksverkauf erbeten.

Potsdams Finanzbeigeordneter und Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) hatte bereits in der Stadtverordnetenversammlung am Mittwoch kurz über die Ermittlungen informiert (PNN berichteten). Es handele sich lediglich um einen „Überprüfungsvorgang“ aufgrund von Presseberichten, ließ er gestern durch Stadtsprecherin Regina Thielemann ausrichten – „das unterste Level“. Die Staatsanwaltschaft werde voll unterstützt und alle Unterlagen erhalten. Exner wolle im Hauptausschuss am kommenden Mittwoch „Stellung beziehen, um die Unklarheiten zu beseitigen“, so die Sprecherin.

Die Stadt Potsdam hatte im Frühjahr 2011 knapp 12 000 Quadratmeter Grundstücke am Bertiniweg unweit des Jungfernseeufers für 875000 Euro an die Potsdamer Firma BTW Projektentwicklung GmbH verkauft. Der Quadratmeterpreis von 75,40 Euro wird beargwöhnt, da allein der Bodenrichtwert zum Zeitpunkt des Verkaufs bei 290 Euro pro Quadratmeter lag. Mittlerweile werden einzelne, herausgelöste Teilflächen für 300 bis 450 Euro pro Quadratmeter auf dem Immobilienmarkt angeboten. Weiterverkäufe haben bereits stattgefunden. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg bezeichnete das Bertiniweg-Areal gestern als „ungeschliffenen Diamanten“.

Die Stadt Potsdam begründet den niedrigen Verkaufspreis mit zwei von der Stadt beauftragten Gutachten. Ein Bodengutachten stellt nach Abzug zahlreicher wertmindernder Aspekte einen Bodenrichtwert von 100 Euro pro Quadratmeter fest und kommt so auf den Gesamtwert der 12 000 Quadratmeter von 1,2 Millionen Euro. Ein zweites Gutachten ermittelte, dass für die „Absiedlung“ der Anwohner und Bungalowbesitzer vor Ort eine Entschädigungssumme von knapp einer halben Million Euro zu zahlen sei. Diese Summe wurde vom Grundstückspreis abgezogen, womit die Stadt auf einen Verkehrswert von 712 500 Euro kam. Da die BTW GmbH mit 875000 Euro sogar 162 500 Euro mehr bot, solle sie den Zuschlag erhalten, heißt es in der Begründung der Vorlage der Verwaltung zum Grundstücksverkauf, der das Stadtparlament am 1. Dezember 2010 zustimmte.

Die Verfasser des Entschädigungsgutachtens erhöhten ihre ermittelten Abfindungsvorschläge noch um eine wörtlich so bezeichnete „Windhundprämie“ zwischen zehn und 25 Prozent. Dabei handelt es sich um eine Art „goldenen Handschlag“, einen Anreiz für die Anwohner, den Bertiniweg schnell zu verlassen. Auch dieser erhöhte Betrag wurde voll vom Kaufpreis abgezogen, geht somit zu Lasten der öffentlichen Hand.

Diese und weitere Auffälligkeiten haben die Stadtfraktionen von CDU, Linke und Bürgerbündnis auf den Plan gerufen. Sie wollen Aufklärung. Wolfhard Kirsch (Bürgerbündnis) bekräftigte gestern seine Forderung, die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung „zu ihrem eigenen Schutz“ vom Dienst zu suspendieren.

Neben den Umständen des Grundstücksverkaufs erregt der Umgang mit den Anwohnern die Gemüter. Nach der Urbarmachung der Flächen als Bungalowgrundstücke in den 1970er Jahren erhielten drei Familien nach der Wende eine Baugenehmigung zur Errichtung von Eigenheimen. Der damalige Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD) sagte eine Gewährung der Vorkaufsrechte für die von der Stadt gepachteten Grundstücke ausdrücklich zu. Nach dem 2011 erfolgten Verkauf an die BTW GmbH klagte eine Familie ihr Vorverkaufsrecht ein und erhielt in einem Eilverfahren Recht. Eine einstweilige Verfügung kam jedoch zu spät, der Verkauf war bereits vollzogen. Jetzt verlangen die drei Familien Schadensersatz von der Stadt. Scharfenberg mahnte gestern erneut „eine Sicherung der Interessen der Hauseigentümer“ an.

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