Landeshauptstadt: Berufspendler bevorzugen Bus und Bahn
Empirische Untersuchung zeigt: Fahrpreise, Taktung und Überfüllung hindern Autofahrer am Umsteigen
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Berufspender, die in Potsdam arbeiten, würden Bus und Bahn den Vorzug geben – wenn sie günstiger und besser zu nutzen wären. Das ist das Ergebnis einer Masterarbeit an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt (Oder). Die Management-Studentin Ina Glüsing hatte sich in einer empirischen Untersuchung mit der Frage beschäftigt, welche Vorlieben bei Berufspendlern in der Landeshauptstadt bestehen und wie es mit der Bereitschaft aussieht, auf Angebote des ÖPNV zu wechseln. Ergebnis: Der ÖPNV hat an sich klar die Nase vorn.
Die Analyse ergab, dass die Befragten ihre Wahl vor allem von der Höhe der Kosten abhängig machen, für knapp 52 Prozent sind sie ausschlaggebend für die Verkehrsmittelwahl. Die Fahrzeit ist, anders als in vorangegangenen Studien zu diesem Thema, hingegen nur für 21,5 Prozent der Befragten entscheidend. Deutlich fiel das Votum für einen kostenlosen ÖPNV aus. In einer Präferenzliste mit vierzehn Wahlmöglichkeiten zu Kosten und Reisezeiten kamen in der Untersuchung ÖPNV-Modelle vor Auto-Modellen auf die ersten drei Plätze: Die beiden favorisierten Optionen waren der ÖPNV zum Nulltarif, kombiniert mit einer mittleren oder langen Reisezeit von 1,5 und 2 Minuten pro Kilometer. Den dritten Rang belegt der ÖPNV zum mittleren Preisniveau von 30 Cent pro Kilometer, kombiniert mit einer kurzen Fahrzeit von einer Minute pro Kilometer. Mit den gleichen Zahlen folgte danach das Auto. Auch wenn andere Kosten oder Fahrzeiten angesetzt wurden, wurde dem ÖPNV bei gleicher Leistung der Vorrang vor dem Auto gegeben.
Ausgangspunkt von Glüsings Untersuchung: Für die Verkehrskonzepte der Landeshauptstadt wird zwar das Mobilitätsverhalten der Pendler beobachtet. Über die Wechselbereitschaft von Autofahrern würden aber keine Daten vorliegen. Glüsing holte das nach und schrieb große Potsdamer Unternehmen an, um deren Mitarbeiter um die Teilnahme an einer Umfrage zu bitten. 395 Berufstätige aus elf Unternehmen nahmen im August 2012 an der Erhebung teil, gut die Hälfte Pendler.
Die Befragten würden Alternativen zum Auto zwar aufgeschlossen gegenüberstehen, vom ÖPNV würde aber ein zu geringer Reiz ausgehen, wie es in der Arbeit mit dem Titel „Green Drive“ heißt. Fast 26 Prozent der Befragten bemängelte die Überfüllung von Verkehrsmitteln, 30 Prozent die Taktung. Glüsing empfahl, besonders im Citybereich und auf der Pendlerstrecke Berlin-Potsdam zusätzliche Verkehrsmittel oder Waggons einzusetzen.
Die Verkehrsbeziehung zu den benachbarten Landkreisen sollte optimiert werden, unter anderem durch höhere Taktfrequenz und Haltestellendichte, gegebenenfalls durch Bike+Ride-Systeme, denn das Fahrrad sei laut Aussage der Probanden das „meist kombinierte Fortbewegungsmittel“. Zudem sollte der Verkehrsverbund preisliche Anreize für Berufspendler setzen – in Form von Preissenkungen oder Sonderkonditionen. „Denkbar ist auch eine Erhöhung der Parkgebühren“, wie Glüsing schreibt. Für die ÖPNV-Reisezeit sollte die Zielvorgabe das Auto sein.
Betreut wurde die Arbeit von Professor Albrecht Söllner, auch Mitglied der Bürgerinitiative für Verkehrsberuhigung in Potsdam-West. „Obwohl ich selbst in der Frage ja keineswegs unvoreingenommen bin, haben mich die Antworten aus den etwa 400 auswertbaren Fragebögen sehr überrascht“, sagte Söllner den PNN. Pkw-Nutzer in Potsdam hätten keineswegs eine klare Präferenz für den motorisierten Individualverkehr. „Vielmehr würden sie dem ÖPNV den Vorzug geben, wenn er günstiger wäre und Nutzungsbarrieren in Form von überfüllten Bussen und Bahnen und nicht mit dem Umland integrierten Verkehrslösungen abgebaut würden“, schlussfolgert er.
Die Arbeit soll am morgigen Dienstag bei einer Podiumsdiskussion des Kreisverbandes der Linken vorgestellt werden. Im Podium werden die Autorin der Masterarbeit, Ina Glüsing, Brandenburgs Verkehrsministerin Anita Tack (Linke) und Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp (Grüne) sitzen. Treffpunkt ist um 18 Uhr bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Dortustraße 53. Henry Klix
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