Landeshauptstadt: Berufungsverfahren um tödlichen Tram-Unfall
Kollege des Angeklagten hatte auch Probleme mit dem Türschließmechanismus
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Im Berufungsverfahren um den Straßenbahn-Unfall vom 14. Juli 2007 am Volkspark, bei dem ein 17-jähriger Potsdamer getötet wurde, sagte gestern ein Kollege des angeklagten Fahrers Ralf K. (48) vor dem Landgericht aus. Er berichtete, nur sechs Tage nach dem Unglück ebenfalls Probleme mit dem Türschließ-Mechanismus seiner Tatra-Bahn gehabt zu haben. Bei einem Blick in den rechten Außenspiegel habe er gemerkt, dass mindestens eine Tür des zweiten Wagens etwa 30 Zentimeter offenstand. Obwohl der Türnotschalter auf Position „Null“ stand, sei ein Anfahren des Zuges möglich gewesen. Normalerweise sei dies nur bei Position „Eins“ der Fall.
Wegen fahrlässiger Tötung wurde der Straßenbahnfahrer Ralf K. im Herbst vorigen Jahres vom Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, an der Haltestelle „Campus Pappelallee“ mit geöffneter Tür seiner Tatra-Bahn losgefahren zu sein. Dadurch soll der angetrunkene Jugendliche aus dem hinteren Teil des ersten Wagens gefallen und vom zweiten Wagen überrollt worden sein. Er verblutete noch an der Unglücksstelle. Die Staatsanwaltschaft hatte eine einjährige Bewährungsstrafe gefordert, die Verteidigung Freispruch. Beide Seiten legten Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Seit dem 15. September läuft die Berufungsverhandlung vor der 6. Kleinen Strafkammer des Landgerichts. Am morgigen Donnerstag werden die Plädoyers erwartet.
Zahlreiche Zeugen bestätigten, dass die Tür der Tram zu Fahrtbeginn offen gewesen sei. Ralf K. – er wurde nach dem Vorfall fristlos entlassen – beteuerte, er sei wegen der vielen Menschen, die in jener Nacht unterwegs waren, vorsichtig gefahren und habe vor der Fahrt alles überprüft – auch den Nofallschalter auf dem Fahrerpult. Ist dieser umgestellt, kann eine Tatra-Bahn mit offener Tür fahren. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass Ralf K. genau dies getan hat und eine Plombe zur Sicherung schon so alt war, dass es problemlos möglich war. Der Verkehrsbetrieb hatte nach dem Vorfall alle Tatra-Plomben austauschen lassen. Ein ermittelnder Verkehrsexperte bestätigte später: Bei der Unglücksbahn war der Türnotschalter, mit dem sich die Sicherheitsautomatik der Türen ausschalten lässt, nicht – wie üblich – mit einer festen Plastikplombe gesichert, sondern mit einer Schnur. Diese war so lang, dass der Hebel auf dem Fahrerpult einfach hin- und hergeschaltet werden konnte. Gabriele Hohenstein
Gabriele Hohenstein
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