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Die Uni-Studentin Laura Ernicke ist in einer Sportart erfolgreich, die kaum Beachtung findet
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Schon allein die Frage lässt sie das Gesicht verziehen. Ob sie häufig mit den Rettungschwimmerinnen von Baywatch verglichen werde, das musste sich Laura Ernicke schon viel zu oft anhören. Immer wieder dieselben einfallslosen Witze zum Thema Rettungsschwimmen, Baywatch und Pamela Anderson. Laura Ernicke hat zwar auch blonde Haare, aber sonst verbindet die Rettungsschwimmerin nichts weiter mit Pamela Anderson. Der Leistungsgedanke, der für Laura Ernicke hinter dem Sport steckt, gehe verloren, wenn man nur an blonde Frauen in knallroten Badeanzügen denke. Erst im vergangenen Oktober wurde sie für ihre Teilnahme an den World Games, den Weltspielen der nicht-olympischen Sportarten, von Bundespräsident Joachim Gauck mit dem „Silbernen Lorbeerblatt“, der höchsten deutschen Sportauszeichnung, geehrt.
„Aber das interessiert ohnehin niemanden“, sagt die Studentin der Universität Potsdam. Sie kenne das kaum anders, seit sie mit sechs Jahren mit dem Rettungssport begann, der sich aus fünf Einzeldisziplinen und vier Mannschaftsstaffeln zusammensetzt. Nur in ihrer Heimatstadt Luckenwalde, wo die 23-Jährige noch heute lebt und trainiert, sei das etwas anderes. „Dort konnte man sich früher eigentlich nur entscheiden, ob man Ringen, Handball oder Rettungsschwimmen macht“, meint sie lächelnd. Dort habe der Sport eine gewisse Bekanntheit und Erfolge würden genauso zusammen gefeiert wie Niederlagen gemeinsam betrauert. Die Entscheidung, Rettungsschwimmen zunächst als Freizeitsport und seit 2008 auch als Leistungssport zu betreiben, hat sie bisher nie bereut. Natürlich habe auch sie dann und wann mal ein Motivationsloch, so gehe es schließlich jedem Sportler.
Mit sieben Trainingseinheiten in der Woche ist der Tag von Laura Ernicke strikt durchgeplant. „Viel Zeit bleibt für mich einfach nicht übrig“, sagt die Sportlerin des B-Kaders, der erweiterten Riege der Deutschen Nationalmannschaft. Neben der Doppelbelastung von Sport und Studium gehe viel Zeit einfach im Auto auf der Strecke zwischen Potsdam und Luckenwalde verloren. Denn das Training in den überfüllten Schwimmhallen in Potsdam sei kaum möglich. Und mit viel Rücksicht ihrer Dozenten könne sie in ihrem Lehramtsstudium in Deutsch, Sport und Sachkunde ebenfalls nicht rechnen. Nicht jeder zeige Verständnis dafür, dass sie sich gerade intensiver auf einen Saisonhöhepunkt vorbereiten muss oder Qualifikationswettkämpfe für Europa- oder Weltmeisterschaften anstehen. Die Kursplanung stelle sie deshalb am Anfang eines jeden Semesters vor eine große organisatorische Aufgabe. „Ich muss versuchen, meine Fehlzeiten wegen Wettkämpfen oder Trainingslagern so gering wie möglich zu halten.“ Über das Verständnis, das den Athleten olympischer Sportarten entgegengebracht wird, kann sie nur den Kopf schütteln.
Andererseits ist die Weltrekordhalterin in der Viermal-25-Meter-Puppenstaffel aber auch niemand, der sich mit seinen sportlichen Erfolgen in den Vordergrund drängen will. Öffentliches Interesse scheint ihr zwar nicht unangenehm, aber doch eher ungewohnt zu sein. Sie schwimmt bei Wettkämpfen gewöhnlich in leeren Hallen, in denen andere Athleten die einzigen Zuschauer sind. „Das war bei den World Games im kolumbianischen Cali anders. Die Leute dort kannten uns nicht und haben uns trotzdem angefeuert“, erinnert sie sich. Das sei eine unglaublich gute Erfahrung gewesen. Aus solchen Erlebnissen zieht Laura immer wieder die Motivation für die nächsten harten Trainingseinheiten. Denn um in die Nationalmannschaft zu kommen, müsse sie schon sehr hart trainieren. Die Konkurrenz innerhalb von Deutschland sei in den letzten Jahren immer stärker geworden, sodass in jeder Saison aufs Neue ein Kampf um die Plätze ganz oben beginne. Das sei im Rettungsschwimmen wie in jeder anderen Sportart auch.
Obwohl Laura Ernicke dem Retten von Menschen einen großen Teil ihres Lebens widmet, ist sie selbst noch nie in eine Situation am Strand oder im Schwimmbad geraten, in der sie ihr Können unter Beweis hätte stellen müssen. Nur einmal sei sie dabei gewesen, als am Strand jemand gerettet werden musste. Ob der Retter eine rote Badehose wie in Baywatch angehabt hat? Nein. Aber den Scherz quittiert Laura Ernicke dann doch mit einem Grinsen.
Chantal Willers
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