Homepage: „Bescheidenheit zahlt sich aus“
Finanzwissenschaftler Hans-Georg Petersen von der Uni Potsdam über die Finanzkrise, die Rettungspakete und sein Aktien-Depot
Stand:
Herr Prof. Petersen, die Finanzkrise zieht immer weitere Bahnen, stehen wir am Anfang einer Weltwirtschaftskrise?
Wir haben es bislang nur mit einer Finanzkrise zu tun. Wenn wir die deutschen Arbeitsmarktzahlen betrachten, dann sehen wir in den realwirtschaftlichen Sektor noch keine großen Auswirkungen der Krise. Es gibt natürlich weitreichende Risiken. Ich bin angesichts der momentanen Krise aber nicht pessimistisch.
Kein Grund zur Panik also?
Das wäre eine völlig falsche Reaktion. Die Entwicklung an den Börsen ist deutlich weniger dramatisch, als wir es beim Platzen der Spekulationsblase am Neuen Markt im Jahr 2000 hatten. Der Aktienindex fiel damals in kurzer Zeit auf 2000 Zähler, davon sind wir noch weit entfernt. Die Medien neigen derzeit zur Dramatisierung der Situation.
Der Kursabfall verläuft seit Jahresbeginn scheibchenweise, aber beständig.
Das große Problem liegt darin, dass wir heute viel komplexere Finanzmarktstrukturen haben als früher. Hinter den Derivaten beispielsweise sind Risiken verborgen, die selbst professionelle Manager nicht mehr beurteilen können. Die Märkte sind so komplex geworden, dass sogar Profis auf der Strecke bleiben. Das ist eine alarmierende Tatsache. Der Unterschied zur 2000er Krise liegt darin, dass es nun um Finanzwerte geht, damals sind realwirtschaftliche Unternehmen kollabiert. Das steht zurzeit nicht zur Debatte. Wenn nun aber die gesamten Kreditmärkte illiquide werden, dann wird das langfristige Auswirkungen haben.
Wie konnte es so weit kommen?
Wir wissen seit über zehn Jahren von den Zusammenhängen. Das Kollabieren von Immobilienfonds – auch deutschen – ist nicht neu. Seit Jahren gibt es die Einschätzung, dass hier eine Blase entsteht, die irgendwann platzen musste. Der Finanzsektor hat sich an unnatürlich hohe Renditen gewöhnt, hinter denen keine realwirtschaftlichen Werte stehen. Die Immobilienpreise wurden künstlich nach oben getrieben. Dann wurden den Leuten, die sich reich wähnten, weitere Kredite gegeben. Doch der Reichtum ist nie realisiert worden, nun ist er geplatzt, und die Betroffenen stehen ohne Finanzierungshintergründe da. Das ist eine Katastrophe. Die neuen Derivate waren ein Instrument, um Risiken zu verschleiern. Viele der Profis haben sich daran beteiligt. Die Frage ist nun, ob sie nicht kriminell gehandelt haben. An einem bestimmten Punkt muss man die Verursacher zur Verantwortung ziehen. Das reicht meiner Meinung nach ins Kriminelle hinein.
Sie sprechen davon, dass die Blase bereits geplatzt ist. Ist das Schlimmste überstanden?
Ich denke, wir werden es noch mit Folgewirkungen zu tun haben. Es sieht so aus, als ob es eine Scheibchen-Lösung gibt. Das wäre gut so, denn so lässt sich jedes Scheibchen möglichst adäquat behandeln. Natürlich kann auch weiter etwas zutage treten, womit man nicht rechnet.
Sind die milliardenschweren Rettungspakete der richtige Weg?
Sie sind absolut notwendig. Auch wenn nun die Steuerzahler für das Versagen von privaten Unternehmen zahlen müssen. Im Prinzip haftet aber immer die Gesamtgesellschaft, da kommen wir nie heraus. Wer soll hier intervenieren, wenn nicht der Staat? Das Schlimme ist, dass nun gleich wieder das ganze System infrage gestellt wird. Doch was nun passiert ist, hat weniger mit den Märkten als mit den Handelnden zu tun, die moralisch versagt haben.
Könnte es auch glimpflich ausgehen?
Zurzeit ist ja noch nicht klar, welche Summen aus den Rettungspakten überhaupt in Anspruch genommen werden müssen. Das wird sich erst zeigen. Es kann auch sein, dass nicht das ganze Geld verbrannt ist. Wie auch beim Berliner Bankenskandal, bei dem im Endergebnis das Gros der Bürgschaften gar nicht in Anspruch genommen werden musste. Dennoch, die Schadenssummen bleiben in jedem Fall immens, wir haben es mit einem massiven Versagen der Managementebenen zu tun.
Sind nun Regulierungen der Politik am Markt notwendig oder sollte man auf die reinigenden Kräfte der Krise bauen?
Von Katharsis kann man natürlich immer sprechen, aber derzeit werden Billionen-Werte vernichtet. Sollte sich die Krise auf die Arbeitsmärkte ausweiten, wächst die Brisanz. Hier muss man sehen, dass staatliche Regelungen getroffen werden, die das Verhalten im Graubereich zwischen Unmoral und Kriminalität genauer definieren. In Deutschland ist das Universalbankensystem schon relativ strikt geregelt, es gibt viele Kontrollmechanismen. Aber wir haben die zweifelhaften Papiere aus den USA erhalten. Über die internationale Verknüpfung der Finanzmärkte sind die Risiken nach Deutschland hereingeschwappt. Wir leiden unter der schlechten Regulierung in den USA.
Ein Weg aus der Krise müsste also ein globaler Weg sein?
Ich bin etwas skeptisch, ob die USA in die Regulierungsintensität hineingehen, die wir in Deutschland haben. Aber ein Weg aus der Krise könnte auch sein, dass man die USA nicht mehr als Vorbild in Bezug auf die Finanzmärkte sieht, sondern sich selbst wichtiger nimmt. Renditen von 30, 40 oder gar 70 Prozent sind eben nicht normal. Man wird sich auch im Bankenbereich wieder an zehn Prozent Profit gewöhnen müssen. Die gesamte Börsenbewertung muss wieder vorsichtiger werden. Die deutschen Banken mussten das Spiel mitspielen, weil sie sonst an Börsenwert verloren hätten und einer feindlichen Übernahme zum Opfer gefallen wären. Zum Glück ist das nicht passiert, und zum Glück stehen die deutschen Banken relativ ordentlich da. So sind wir für die Zukunft ein Stück weit abgesichert.
Wenn die Notenbanken nun Geld in den Markt pumpen, dürfte dies doch die Gefahr der Inflation erhöhen?
Hier ist die Frage, inwieweit sich die Geldmenge in den privaten Haushalten und Unternehmen erhöht. Zunächst zielen die Rettungsaktionen aber auf Liquidität zwischen den Banken. Das Geld, das sich die Banken nun nicht mehr gegenseitig leihen, stellen die Zentralbanken zur Verfügung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass davon etwas in den privaten Sektor durchsickert. Es bestehen natürlich Inflationsgefahren, die sehe ich aber eher mittel- bis langfristig. Auch werden die Ereignisse in den USA zu einem massiven Konsumausfall führen. Angesichts der rezessiven Tendenzen werden dort keine Preiserhöhungen durchsetzbar sein.
Was ist mit dem Vertrauensverlust?
Der ist nun natürlich immens. Auch ich als überzeugter Marktwirtschaftler habe Vertrauen verloren. Ich predige immer Markt und Moral. Moral hat viel mit Vertrauen zu tun. Hier ist viel zerstört worden. Die Rolle des Staates wird neu zu definieren sein: wie können wir auch aus nationaler Sicht positiv dazu beitragen, um zukünftig nicht infiziert zu werden. Abkoppeln werden wir uns nicht können, dann werden wir geschluckt. Neu die notwendigen Aufgaben zu definieren, dazu sind wir in Deutschland durchaus in der Lage. Auch Europa hat einen Vorteil, weil das Bundesbankgesetz sogar in verschärfter Form zum europäischen Zentralbankgesetz geworden ist, hier haben wir sehr viele hilfreiche Bremsen eingebaut.
Durch die Finanzkrise wird es auch für die Kleinanleger unübersichtlich. Wie halten Sie es nun mit ihren eigenen Rücklagen?
Ich habe feststellen müssen, dass mein Aktien-Depot im Vergleich zum Vorjahr nur noch ein Drittel Wert ist. Ich war allerdings bei Aktien schon immer vorsichtig: man sollte nie alle Eier in einen Korb legen. Und nun feiern ja sogar die Banker die Auferstehung der Staatspapiere. Es ist ganz klar: hohe Zinsen bergen hohe Risiken. Wenn man da zu gierig herangeht, kann man Opfer werden. Bescheidenheit zahlt sich aus.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
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