Landeshauptstadt: Besetzt, umkämpft, saniert
Im Vorderhaus der Kurfürstenstraße 5 entstehen Sozialwohnungen
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Im Vorderhaus der Kurfürstenstraße 5 entstehen Sozialwohnungen Von Günter Schenke Innenstadt. Angekohlte Balken und Geländer erinnern noch heute an einen Brand im Seitenflügel der Kurfürstenstraße 5. Das Feuer war am Himmelfahrtstag des Jahres 2000 der letzte Anstoß für die Polizei, das besetzte Haus mit seiner Szenekneipe „Boumann’s“ gewaltsam zu räumen. Zweieinhalb Jahre später haben nunmehr die Sanierungsarbeiten des denkmalgeschützten Gebäudes im Holländischen Viertel begonnen. Eigentümer Frank Schuster informiert, dass er im Vorderhaus drei Wohnungen und ein Ladengeschäft schaffen will. Es handele sich um Sozialwohnungen zu einem Mietzins von vier Euro pro Quadratmeter. Vorteil für den Bauherren: Der Bau dieser Wohnungen wird vom Land nach den Richtlinien für den ersten Förderweg des sozialen Wohnungsbaus finanziell gestützt. Sogar eine Mieterin hat Schuster für die Parterrewohnung bereits fest an der Hand. „Hier wird eine behinderte Frau einziehen“, sagt er. Und im Ladengeschäft auf der anderen Hausseite werde eine „soziokulturelle Einrichtung“ ihr Domizil erhalten. Näheres will Schuster noch nicht mitteilen, weil der Vertrag noch nicht unter Dach und Fach ist. Das Trauma der langen Besetzung des Hauses und die straßenschlachtartigen Umstände bei der Räumung und Wiederbesetzung wirkt beim Bauherren offenbar immer noch nach. Am Laden ist immer noch die Aufschrift „Boumann’s“ zu lesen und an den Wänden der Innenräume finden sich vereinzelt Graffiti aus Besetzertagen. Fotos möchte Schuster davon nicht machen lassen. „Das weckt Begehrlichkeiten“, meint er. Er habe schlechte Erfahrungen gemacht; zum Beispiel seien immer wieder Schlösser aufgebrochen worden. Im fabrikartigen Seitenflügel werden fünf Wohnungen geschaffen. Zwei Einzimmerwohnungen sind darunter, aber auch eine große Vierzimmerwohnung mit einem über eine Treppe erreichbaren 30-Quadratmeter- Raum unter dem Dach. 5,10 Euro pro Quadratmeter sollen die nicht geförderten Wohnungen im Hinterhaus kosten. Sie haben allen modernen Komfort, zum Beispiel Wandheizungen, um das im Schatten liegende Gebäude trocken zu halten. Der Bauherr ist fast ständig auf der Baustelle, um die Arbeiten zu organisieren und deren Fortgang zu beobachten. Mittlerweile hat er sich zu einem Experten für historische Bausubstanz entwickelt und empfindet Freude, das Traufenhaus im holländischen Stil wieder originalgetreu herzurichten. Schon jetzt ist zu erkennen, wie fachmännisch zum Beispiel die Dachgauben zur Kurfürstenstraße hin restauriert werden. Ähnlich sollen die Portaldekorationen wieder in alter Schönheit hergestellt werden. „Solch ein Haus muss atmen“, sagt Schuster bei der Inspektion des Dachgeschosses des Vorderhauses, in dem der Restaurator und Tischlermeister Kay Kittlist mit der Aufarbeitung der Holzverkleidung an Gauben und an der Türfassung befasst ist. „Das Dach wird nicht ausgebaut“, informiert er. Das täte der alten Bausubstanz nicht gut. „Der Ausbau eines Daches ist immer problematisch, sagt Schuster fachmännisch. Dadurch bestehe nämlich die Gefahr, dass Schimmel in das Gebäude einziehe. „Und das ist das Letzte, was ich mir wünsche.“ Restaurator Kittlist kämpft praktisch um jedes historisches Stückchen Holz. Doch vom alten Dachstuhl konnten nur wenige originale Balken gerettet werden. Dunkel und zum Teil wurmstichig setzen sie sich optisch vom hellen Holz des neuen Gebälks ab.
Günter Schenke
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