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Landeshauptstadt: Bestürzung und Trauer

Potsdamer Architekt Moritz Kock war an Bord des Fluges AF 447 / Jakobs bekundet Anteilnahme

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Darüber sprechen mag fast niemand an diesem Dienstag in Potsdam. Jedes Wort, so scheint es, würde Gewissheit bedeuten. Doch für viele, die dem Architekten Moritz Kock nahe standen, ist es soweit noch nicht. Auch wenn der Name des 54-jährigen Potsdamers auf der Passagierliste des Flugs AF 447 stand, der auf dem Weg von Rio den Janeiro nach Paris über dem Atlantik verschwand; auch wenn inzwischen kaum mehr Zweifel daran bestehen, dass der Airbus abgestürzt ist, niemand das Unglück überlebt hat, auch Moritz Kock nicht.

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs ist einer der wenigen, der Worte findet. Er ist sichtlich betroffen. „Es deutet viel darauf hin, dass Moritz Kock zu den Opfern gehört“, sagt Jakobs. Die Nachricht erfülle ihn mit großer Bestürzung und Sorge. „Meine Anteilnahme gilt in diesen ungewissen Stunden den Angehörigen und der Familie von Moritz Kock.“ Der Potsdamer hinterlässt seine Ehefrau und eine Tochter.

Im Büro des Architekten, das in der Berliner Vorstadt liegt, meldet sich eine Frau am Telefon. Man könne nichts mitteilen, sagt sie mit tonloser Stimme. Von diesem Büro aus hat der Architekt sich einen internationalen Namen gemacht. Er hat das VW Design Center entworfen, das die Schiffbauergasse prägt, und jüngst auch das futuristisch anmutende Parkhaus für das Gelände. Das neueste Projekt, für das Kock mit seinem Ingenieurbüro Kock & Lünz die Entwürfe lieferte, soll in wenigen Tagen, am 18. Juni, eröffnet werden: das neue Designer-Outlet-Center in Wustermark, das der Investor im Stile einer märkischen Kleinstadt im Jahre 1830 entstehen ließ.

Das Bauwerk, das Moritz Kock wohl am meisten bedeuten würde, ist bisher allerdings nicht verwirklicht: das Niemeyer-Bad in Potsdam. Für die brasilianische Kuppel-Landschaft hat Kock von Anfang an geschwärmt – offenbar auch aus Verehrung für das Gesamtwerk des brasilianischen Star-Architekten Oscar Niemeyer, heute 101 Jahre alt. Der gebürtige Hamburger Kock soll Niemeyer bereits kennen gelernt haben, als dieser ab 1966 im Pariser Exil lebte. Seitdem hätten beide eine „persönliche, fast familiäre Verbindung“ gehabt, sagt Peter Paffhausen, Chef der Potsdamer Stadtwerke, die als Bauherr für das schließlich abgesagte, 30 Millionen Euro teure Niemeyer-Bad eng mit Moritz Kock zusammenarbeiteten. Ohne den Architekten Kock, so meint Paffhausen, wäre ein Bad aus der Hand des Pritzker-Preisträgers für Potsdam wohl gänzlich undenkbar und unbezahlbar gewesen. „Dass Niemeyer nach der normalen Architekten-Honorarordnung das Potsdamer Bad entworfen hat, liegt wohl auch daran, dass er einem Freund einen Gefallen tun wollte – für die Stadt, in der dieser lebt“, sagt Peter Paffhausen.

In den vergangenen Wochen war im Potsdamer Rathaus und in Paffhausens Stadtwerke-Büro wieder über die Niemeyer-Pläne gesprochen worden – schließlich will Potsdam nun doch ein neues Schwimmbad bauen. Wo, wie, das alles ist noch unklar. Doch für Moritz Kock war es Grund genug, bei einer offenbar ohnehin anstehenden Dienstreise nach Rio de Janeiro noch einmal mit Oscar Niemeyer über die Potsdamer Bad- Pläne zu sprechen – und darüber, ob das Schwimmbad auch an der Biosphäre im Volkspark gebaut werden könnte.

Bereits in den zurückliegenden Jahren hatte Kock immer wieder mit dem Star-Architekten konferiert, hatte an Niemeyers Plänen gearbeitet, sie für die Potsdamer Gegebenheiten adaptiert. Bei den Stadtwerken liegt deshalb eine von Oscar Niemeyer autorisierte und unterschriebene Ausführungsplanung. „Das bedeutet, diese Bad-Planung hat die Qualität einer vollständigen Opernpartitur“, hatte Kock in einem PNN-Interview gesagt. „Stellen Sie sich vor, wir fänden in einer Bibliothek die Partitur einer weiteren Oper von Ludwig van Beethoven, die noch nie jemand gehört hat. Wir könnten sie aufführen, so wie wir das Schwimmbad bauen könnten.“

Dabei symbolisierte der Entwurf für Kock nicht allein außerordentliche architektonische Qualität. Für ihn war er gleichzeitig Sinnbild für Oscar Niemeyers „politische Idee einer gerechteren Gesellschaft“. Einer Idee, die dem Potsdamer Architekten offenbar nicht fern lag. So warnte Kock vor dem allein historischen Wiederaufbau der Potsdamer Mitte, plädierte für moderne Bauten an der Alten Fahrt. Und eben für ein Niemeyer-Bad als Symbol der Idee sozialer Gerechtigtkeit.

Oberbürgermeister Jann Jakobs sagt, dass er der Niemeyer-Architektur für ein neues Bad in Potsdam aufgrund der Mehrkosten im Vergleich zu einem Standart-Bad wenig Chancen einräumt. Doch die Stadt werde es prüfen.

Guido Berg, Sabine Schicketanz und Juliane Wedemeyer

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