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Homepage: Besuch nur mit Anmeldung Was Firmenschilder

aus Südafrika verraten

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Stolze, wachsame und wehrhafte Tiere sind hier beliebt. Adler, Tiger, Bär, Uhu, Beagle und Luchs zieren viele der Firmenschilder, die der südafrikanische Fotograf und Kulturtheoretiker Christo Doherty mit in das Schaufenster der Fachhochschule gebracht hat. Das ganze Tierreich, solange es nur über genügend Zähne verfügt und nicht zu den Arten gehört, auf die andere mit Vorliebe Jagd machen, scheint hier bemüht. Die Signalfarbe Gelb ist vorherrschend.

150 unterschiedliche Embleme von Sicherheitsfirmen aus der Umgebung um Johannesburg hat Doherty in sieben Jahren gesammelt. Die Wachschutzfirmen heißen Protect-O-Guard, KGB-Security oder Guardian Angel. Sie alle bieten Schutz, den der Staat in der Metropole bei 18 000 jährlichen Mordopfern nicht mehr gewähren kann. Christo Doherty wundert sich bei seinem Besuch in Potsdam über die Disziplin, mit der Deutsche bei roten Ampeln stehen bleiben, selbst nachts, wenn niemand kommt. In einer Runde mit Studenten erzählt er, dass in seiner Heimatstadt selbst Autofahrer sich nicht von einem roten Haltesignal bremsen lassen würden. Zu groß wäre das Risiko für Leib und Leben.

Dohertys Interesse an den Firmenschildern liegt in ihrer gesellschaftlichen Ikonografie, weniger in ihrer Ästhetik begründet. Daher ist diese kleine, improvisiert wirkende Ausstellung optisch in wenigen Augenblicken durchschritten. Reizvoll indes wird sie, wenn die Schildchen zum Anlass genommen werden zu hinterfragen, welche Signale die Menschen mit diesen Tafeln aussenden? Und in welchem Zustand sich das Gemeinwesen, das sich solcher Chiffren bedient, befindet?

Wo das staatliche Gewaltmonopol durch private, oft hochgerüstete Wachschutzunternehmen ersetzt wird, wo, wie Doherty berichtet, sogar die Polizei ihre Dienststellen von Privaten schützen lässt, ist es nicht weit zur Volksparanoia. Dazu passt Dohertys Vermutung, die private Aufrüstung zur Verteidigung des Privaten falle mit dem Niedergang der Waffenindustrie in seinem Land zusammen. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde der heimische Markt erobert, indem Ängste bewusst geschürt wurden. Unangemeldet Freunde zu besuchen, ist in dem Wachschutzsystem nicht möglich. Jedes Schild trägt eine Telefonnummer, bei der sich Besuch anzumelden hat. Nicht nur die Realität bleibt so langsam ausgespart, sondern auch die Spontaneität und das Vertrauen in das Fremde.

Doherty weilt als Gast von Prof. Arthur Engelbert vom Bereich Medientheorie und Medienpraxis des Studiengangs Kulturarbeit an der FH. Die beiden kennen sich aus zwei vorangehenden Aufenthalten am Kap, bei denen Engelbert jeweils von seinem Assistenten Andreas Klisch begleitet wurde. Die beiden arbeiten intensiv in ihrem Projekt „The Sound of the City“ an einem internationalen Netzwerk, in dem sie bereits Wissenschaftler aus China eingebunden haben. Christo Doherty liefert nun auf der Seite der visuellen Zeichen eine Systematik und Lesart gesellschaftlicher Kommunikation, die von den beiden Dozenten auf den wissenschaftlich wenig erschlossenen Bereich der Töne und Geräusche übertragen werden könnte. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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