Landeshauptstadt: Besuch vom Chef
Jakobs will Praxis in Ausländerbehörde überprüfen
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Sollte Jann Jakobs (SPD) am Sonntag als Oberbürgermeister von Potsdam wiedergewählt werden, kann sich die städtische Ausländerbehörde auf einen inneramtlichen Rüffel durch ihren obersten Dienstherren gefasst machen: Ungewohnt ungehalten reagierte Jakobs gestern auf Berichte von Bewohnern des Asylbewerberheims am Schlaatz, die den Tag des Flüchtlings zum Anlass nahmen, Jakobs und seinem Herausforderer Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) über ihre Sorgen zu berichten. So erklärte ein junger Mann, Keiwan Rashidi, dass er seit zehn Jahren im Asylbewerberheim lebe, ohne dass ihm die städtische Behörde eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt habe. Ohne diese aber könne er die Arbeit nicht annehmen, die er selbst fand, und auch in keine Wohnung umziehen. „Warum bekommen wir keine richtige Identität?“, fragte Keiwan Rashidi.
„Wenn ich so etwas höre“, erklärte das Stadtoberhaupt, dazu die passende Handbewegung machend, „kriege ich so einen Hals“. Jakobs kündigte an: „Diese Verwaltungspraxis wird einer generellen Prüfung unterzogen.“ Der Verwaltungschef ergänzte: „Ich werde diese Gespräche persönlich führen.“ Wie Jakobs erläuterte, sei die Ausländerbehörde angewiesen, den Ermessensspielraum, den die bundeseinheitliche Gesetzgebung lasse, stets zugunsten der Betroffenen auszunutzen. Jakobs: „Ich weiß gar nicht, was ein Mitarbeiter der Stadt gegen die Ausstellung einer Aufenthaltsgenehmigung haben kann?“
Die Verwaltung hege gegen jeden Asylbewerber einen Grundverdacht, nicht die Wahrheit zu sagen, erklärte Katrin Böhme vom Beratungsfachdienst für MigrantInnen des Diakonischen Werkes. Monique Tinney von der evangelischen Ausländerseelsorge betonte, auch ein restriktives Verhalten „muss ein Ziel haben“, das nicht darin bestehen sollte, den Betroffenen weitere zehn Jahre im Heim zu belassen. Keiwan Rashidi sei kein Einzelfall. Dazu noch einmal Jakobs: „Ich werde die Dinge aus dem Weg räumen, die sich da angehäuft haben.“
Dass der Besuch des Oberbürgermeisters in der Ausländerbehörde milder ausfallen könnte, wenn dieser nach der Stichwahl am Sonntag Hans-Jürgen Scharfenberg heißen sollte, erscheint unwahrscheinlich: Scharfenberg pflichtete Jakobs bei, wonach die Möglichkeiten voll zugunsten der Betroffenen auszuschöpfen seien. Er verwies zudem auf Beschlüsse des Landes zur Aufhebung der Residenzpflicht der Asylbewerber. Bislang war es diesen ohne Erlaubnis nicht gestattet, die Stadt zu verlassen. Guido Berg
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