Landeshauptstadt: Betrüger kam mit Konfitüre und Apfelsaft
Eine weitere Geprellte des selbsternannten Europcar-Geschäftsführers erstattete jetzt Anzeige
Stand:
37 Betrugsfälle mit einem Schaden von über 67 000 Euro - verhandelt am 7. Oktober vor dem Schöffengericht – scheinen lediglich die Spitze des Eisbergs zu sein. Der angeklagte Rentner Wilfried W.* (70) wurde dafür zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Außerdem hat er den von ihm Geprellten den Schaden zu ersetzen. (PNN berichteten.) Wie Oberstaatsanwalt Helmut Lange bestätigte, laufen gegen den Potsdamer weitere Ermittlungen.
Unmittelbar nach Erscheinen des Artikels meldete sich Gerlinde G.* in der Redaktion. Auch sie wurde 2007 von dem pensionierten Wasserbauingenieur um 500 Euro erleichtert, auf die sie noch heute wartet. Da Dutzende von Mahnungen nicht fruchteten, erstattete sie jetzt Anzeige gegen den Mann, der einst ihr Kommilitone war. Wilfried W. ging bei Gerlinde G. nach dem selben Strickmuster vor, das zahlreiche von ihm Geschädigte – Nachbarn aus Bornstedt, Freunde und Mitglieder des Vereins „Schlaraffia“ – während der Verhandlung schilderten. So bat der als freundlich und gut situiert geltende Herr um kurzfristige Darlehen zwischen 500 und 14 000 Euro, sicherte seinen Gläubigern schriftlich zwölf Prozent Verzugszinsen zu, falls er nicht pünktlich zurückzahlen könne. Außerdem erklärte er sich mit der Pfändung seines Kontos bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse einverstanden. Als Grund der Anleihe gab er stets an, zwei Filialen des Autovermieters Europcar in Berlin und Babelsberg eröffnen zu wollen.
„Wilfried W. rief mich am 19. September vorigen Jahres um 10 Uhr an und fragte, ob ich ihm Geld für den Aufbau eines Geschäfts borgen könne. Dabei hatte ich 1993 das letzte Mal etwas von ihm gehört“, erzählte Gerlinde G. bei ihrem Redaktionsbesuch. „Ich hatte zufällig etwas zu Hause. Er wollte so schnell wie möglich bei mir sein. Punkt 11 Uhr stand er vor der Tür und hatte einen vorbereiteten Darlehnsvertrag dabei, den er nur noch ausfüllen musste.“ Außerdem habe er ihr einen Gesellschaftervertrag von Europcar präsentiert. (Vor Gericht stellte sich später heraus, er war notariell nicht beglaubigt. Und bei der Zentrale des Unternehmens in Hamburg ist der Name Wilfried W. unbekannt.)
Sie habe sich ziemlich überrumpelt gefühlt, berichtete Gerlinde G., die vorher noch nie Geld verlieh. Doch Wilfried W. habe „ein sorgenvolles, angespanntes Aussehen“ gehabt. „Da dachte ich, ich müsse ihm helfen.“ Als „Pfand“ habe er einen alten Fotoapparat dagelassen, ihr ein Glas selbstgemachte Kirschkonfitüre und eine Flasche „echten Bornstedter Apfelsaft eigener Produktion“ geschenkt. (In diesen Genuss kamen die übrigen Gläubiger nicht.) Dennoch habe sie Wilfried W. klipp und klar zu verstehen gegeben, sie erwarte die prompte Rückzahlung, so die ältere Dame. Dies habe er hoch und heilig versprochen, dann überschwänglich erklärt: Du hilfst mir, meiner Familie und meinen Enkeln.
Einer der Enkel, Daniel D.*, ist übrigens auch gerichtsbekannt. Er wurde im Mai wegen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten auf Bewährung verurteilt. Mit dem Geld, das er von einem Potsdamer zu erpressen versuchte, sollte ein Restaurant eröffnet werden, in dem vermutlich Geld gewaschen werden sollte. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder gegen ihn wegen dieses Verdachts. (*Namen geändert) Gabriele Hohenstein
Gabriele HohensteinD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: