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Aus dem GERICHTSSAAL: Betrüger mit Köpfchen

14 000 Euro Tantiemen von VG Wort erschlichen

Stand:

„Das war Betrug auf höherem Niveau, raffiniert und intelligent“, konstatierte Amtsrichterin Birgit von Bülow. „Dafür kann es gut und gerne schon mal zwei Jahre Freiheitsstrafe geben.“ Doch Dr. Wilhelm W.* (71) – pensionierter Kunsthistoriker und Neu-Potsdamer – legte bereits während des Ermittlungsverfahrens ein volles Geständnis ab. Auch vor Gericht bekannte er sich schuldig. So kam der promovierte Akademiker mit 15 Monaten, ausgesetzt zu zweijähriger Bewährung, davon. Außerdem muss er 120 Stunden unentgeltlich arbeiten.

Obwohl der Wissenschaftler damals 2000 Euro im Monat verdiente, reichte das nicht, seinen Lebensstil zu finanzieren. Da kam er auf die Idee, die Verwertungsgesellschaft (VG) Wort anzuzapfen. Sie verwaltet Tantiemen aus Zweitnutzungsrechten an Sprachwerken, auch von Funk und Fernsehen, in Deutschland. Ende Januar 2006 reichte Dr. Wilhelm W. bei der Vereinigung mit Sitz in München eine Vielzahl von vermeintlich veröffentlichten wissenschaftlichen Abhandlungen ein, unterzeichnete sie mit fiktiven Autorennamen. Der Coup glückte, dem Betrüger flatterte ein Verrechnungsscheck der VG Wort über rund 3700 Euro ins Haus. Im Jahr darauf waren es bereits knapp 10 250 Euro, die er auf diese Weise ergaunerte. 2008 erhielt der Mann statt des erhofften Geldsegens eine Vorladung zur Staatsanwaltschaft.

Dr. Wilhelm W. machte seine vermeintlichen Ansprüche stets auf den letzten Drücker geltend. „Da werden wir von einer schieren Masse von Anträgen überflutet“, berichtete Sabine R. (34), Angestellte bei der VG Wort, im Zeugenstand. „Die angegebenen Verlage und Zeitschriften gab es wirklich, die Aufsätze mit den anspruchsvollen Titeln allerdings nicht. Aber das haben wir erst später festgestellt“, so die Mitarbeitern. Weil der Angeklagte als Autorennamen stets einen Doppelnamen angab, seien die wechselnden Anfangsbuchstaben des ersten Namens den jeweiligen Sachbearbeitern zugeordnet worden. Seinen wahren Nachnamen habe Wilhelm W. modifiziert, ebenfalls seine damalige Anschrift. Den Briefträgern gab die Verballhornung des Straßennamens offensichtlich nicht zu denken. Und da der zweite Nachname mit dem auf dem Klingelschild einigermaßen übereinstimmte, landeten die erwarteten Schecks auch stets in seinem Briefkasten. „Unsere Buchhaltung hat schließlich festgestellt, dass die auf verschiedene Personen ausgestellten Schecks alle auf ein Konto eingezahlt wurden“, erzählte die VG-Wort-Mitarbeiterin. „Wir werden jetzt versuchen, den Schaden zivilrechtlich einzuklagen.“

Bereits in den Jahren 2002 und 2003 soll Dr. Wilhelm W. die VG Wort geschröpft haben. Diese Taten sind inzwischen verjährt. Bei den nunmehr 88 angeklagten Fällen sei von gewerbsmäßigem Handeln auszugehen, führte der Staatsanwalt aus. „Ich habe die VG Wort als Gelddruckmaschine benutzt. Eigentlich habe ich mir keine Gedanken gemacht, ob das auffliegen könnte“, gab der Angeklagte zu. „Im Nachhinein sehe ich ein, dass das Scheiße war. Dafür muss ich bestraft werden.“ (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga

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