Links und rechts der Langen Brücke: Bevor die Kräne sich drehen
Guido Berg über die späte Berufung eines Potsdamer Gestaltungsrates und die Hoffnungen, die sich mit dem Architektur-Gremium verbinden
Stand:
Der Potsdamer Gestaltungsrat hat auf seiner konstituierenden Sitzung einen fulminanten Auftakt hingelegt. Die hochkarätigen Architekten haben ihre Kritik an künftigen Bauprojekten hochqualifiziert begründet. Es war wohltuend, wie das eigene, sprachlose Empfinden der Unzulänglichkeit der präsentierten Architektur derart gut in Worte gefasst wurde. Die Frage ist nun, warum sich Potsdam – die Stadt der Architektur, in der die Erstlingswerke von Schinkel und Mies van der Rohe stehen – erst 20 Jahre nach der Wende fachlich hinreichend beraten lässt. Was hätte Ratsmitglied Martin Reichert vom Berliner Büro Chipperfield wohl zum IHK-Gebäude gesagt, zum Potsdam-Center, zum Glienicker Horn? Viele Bausünden hätten vermieden werden können, wenn sie fachlicher Kritik ausgesetzt worden wären. Vermutlich haben die Potsdamer Lokalmatadore lange Jahre nicht den Wunsch gehabt, sich von kompetenter Expertise behindern zu lassen. Insofern ist die Berufung des Gestaltungsrates auch Ausdruck einer gewachsenen Kultur in der Stadt. Noch sind jede Menge Problem-Bauten in der Pipeline; zum Teil sind sie bereits genehmigt. Diese sollen dem Baubeigeordneten Matthias Klipp (Bündnisgrüne) zufolge nicht mehr dem Gestaltungsrat zur Begutachtung vorgelegt werden. Aber wer bestimmt das? Der Abschluss eines Genehmigungsverfahrens war in Potsdam noch nie gleichsam auch der Abschluss der Diskussion. Solange sich noch nicht die Kräne drehen, kann darüber geredet werden. Das hat die Bürgerinitiative Mitteschön schon eindrucksvoll bewiesen, als „Stuttgart 21“ noch kein Grundbegriff der Demokratiegeschichte der Bundesrepublik war. So wie die Gestaltungsratsmitglieder auftraten, werden sie sich nicht mit dem begnügen, was ihnen andere zur Bewertung vorlegen. Sie werden die Freiheit für sich beanspruchen, sich auch selbst Projekte auf den Tisch zu ziehen. Da ist das Pro-Potsdam-Projekt eines Nachfolgebaus für das abgerissene „Haus des Reisens“. An stadtbildprägender Stelle soll ein Entwurf umgesetzt werden, der als „Elefantenkäfig“ oder auch als „Der geätzte Unger“ bekannt ist. Die einzige Autorität, die hier vielleicht noch eingreifen kann, ist der Gestaltungsrat. Niemand, der vor diesem Gremium scheitert, verliert sein Gesicht. Gut beraten zu sein, ist nie ein Nachteil.
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