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Landeshauptstadt: Bilder scheibchenweise

Der Weg zum Fernsehen führte auch über die Nipkow-Scheibe. In Babelsberg steht der einzige Apparat

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Der Weg zum Fernsehen führte auch über die Nipkow-Scheibe. In Babelsberg steht der einzige Apparat Babelsberg - Die Reise führt durch die Vergangenheit. Vorbei an Leningrad, Iris und Rembrandt, entlang am Star-Kasten weiter zu Staßfurt und Offenbach. Keine zwölf Meter stehen sie auseinander, die Rundfunkempfänger der ersten Stunde. Gebaut mit Bildröhre im Holzkasten, als Fernsehen in den 1950er Jahren langsam zum Massenmedium wurde. Eine der allerersten Stunden gab es dagegen nur auf Papier, hinterlegt beim Kaiserlichen Patentamt Berlin, aufgeschrieben und gezeichnet von Paul Nipkow. Dessen 1884 entwickelte systematisch gelöcherte Scheibe ist eines der etwa 1100 historischen Geräte im Deutschen Rundfunkarchiv Babelsberg. Sie war ein Schritt bei der Entwicklung zum heutigen Fernsehen. Fünf Tage vor Beginn der Funkausstellung in Berlin präsentierte das Rundfunkarchiv gestern gemeinsam mit dem Rundfunkmuseum den einzigen funktionstüchtigen Apparat namens Nipkow-Scheibe. Dessen Bild ist so klein, dass die Besucher beinahe in den schwarzen Kasten kriechen müssen, um etwas zu erkennen. DRA steht da geschrieben, für Rundfunkenthusiasten die Werkstatt der laufenden Bilder. „Andere kann man damit auch nicht hinter dem Ofen hervor locken“, sagte Reinhard Exner, Ton-und Fernsehtechniker von der Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv. Bei der Präsentation erinnert nichts an Flachbildschirme oder das Breitbildformat. Zwischen dem Bau des Apparates und heute liegen 77 Jahre, mehr als eine Ewigkeit bei der Entwicklung von Haustechnik. Dabei hat sich anfangs keiner für das Patent des Naturwissenschaftsstudenten Paul Julius Gottlieb Nipkow interessiert. Der hörte Vorlesungen bei Hermann von Helmholtz sowie Adolf Slaby und hatte am Heiligen Abend 1883 allein vor einer Petroleumlampe sitzend die Idee von der durchlöcherten Scheibe, die einzelne Bilder in Punkte und Zeilen zerlegt und über Kabel transferiert. Das „elektrische Teleskop zur elektrischen Wiedergabe leuchtender Objekte“ war entstanden. Auf Papier. Denn als Objekt präsentiert wurde die Erfindung erst 45 Jahre später, auf der 5. Deutschen Funkausstellung in Berlin 1928. Nipkow soll danach über diesen Moment gesagt haben: „Was ich 45 Jahre zuvor erdacht hatte, sollte ich erstmals wirklich sehen. Nun sehe ich vor mir eine flimmernde Lichtfläche, auf der sich etwas bewegt. Es war nicht gut zu sehen.“ Seine mechanische Technik setzte sich nie durch. Dennoch wurde er zum Helden, propagiert von den Nationalsozialisten, denen der deutsche Erfinder mit seinen bewegten und damals wohl auch bewegenden Bildern gut passte. So wurde beispielsweise der erste Fernsehsender mit Start am 22. März 1935 nach Paul Nipkow benannt. Empfangen von Fernsehern, die in ihrem Frequenzbereich begrenzt waren und amerikanische Sender nicht empfingen. Später stand auf den Geräten VEB Radeberg oder Staßfurt. Der erste Fernseher der Firma Staßfurt, „Iris“ von 1957, hatte übrigens einen An/Aus-Schalter zum Abnehmen. Eine Art Jugendschutz, damit Kinder nicht so viel Fernsehen konnten. Jan Brunzlow

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