WIEDEMANN bildet: Bin ich mit blauem Auge davon gekommen?
Ein nächtlicher Fahrradunfall in der Parforceheide hat mir unter anderem das besagte blaue Auge beschert. Jemand in der Notaufnahme des Klinikums Ernst von Bergmann zitierte diesen Satz vom Davonkommen mit einem blauen Auge.
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Ein nächtlicher Fahrradunfall in der Parforceheide hat mir unter anderem das besagte blaue Auge beschert. Jemand in der Notaufnahme des Klinikums Ernst von Bergmann zitierte diesen Satz vom Davonkommen mit einem blauen Auge. Ich bin persönlich mit einem inzwischen das Farbspektrum ausprobierenden Auge und viel schmerzhafteren Rippenprellungen aus der Geschichte um das blaue Auge raus. Aber dieses „mit einem blauen Auge davongekommen sein“ beschäftigt mich und warum das so ist, will ich kurz erzählen.
Ich habe ein paar Nachtstunden vom Samstag zum Sonntag in der Notaufnahme dieses Klinikums verbracht und konnte erleben, wie fürsorglich das Personal selbst mit ziemlich alkoholisierten Patientinnen und Patienten umging. Da hat die eine Seite, nämlich die des Klinikums, aus meiner Sicht mehr als Bildung, nämlich Herzensbildung gezeigt, während ein Teil der Notfallpatienten das Ganze zu einer Art Sonder-Event des Baumblütenfestes machen wollte. Ich habe mich gefragt, warum ein Teil der jungen Leute nur noch eine eingeschränkte Achtung vor medizinischen – aber darüber hinaus auch pädagogischen – Autoritäten bzw. vor der Gesundheit anderer (siehe U-Bahn-Attacken!) hat?
Und ich frage mich seitdem immer wieder, ob der häufig diskutierte Alkoholismus oder auch die affektartige Gewaltbereitschaft junger Leute nicht das uns beruhigende „blaue Auge“ sind, das das Wesentlichere verdeckt bzw. davon ablenkt? Denn Alkoholismus und Schlägereien gab es auch in meiner Jugend, aber es gab weder die alles beobachtenden Kameras dabei noch sich selbst oder andere demütigende Grenzüberschreitungen. Will sagen: Wenn jemand am Boden lag wurde nicht nachgetreten und die Erfolgskommunikation erfolgte ausschließlich verbal. Man war ein Verlierer in einem kommunikativ begrenztem Raum, was durchaus mit schmerzhaften persönlichen Verletzungen (physisch und auch psychisch) verbunden sein konnte!
Ich kann und will jetzt keine Ursachenforschung zu den Themen Alkohol und Gewalt betreiben, darüber können andere kompetenter reden und schreiben. Sicher bin ich mir aber darin, dass ein Rückbau an Bildungs- und Erziehungsangeboten kontraproduktiv wäre. Insofern betrachte ich die beschlossenen Sparmaßnahmen unserer Landesregierung im Bildungsbereich mehr als skeptisch. Ein Land, das an der Bildung spart, gibt seine Zukunft auf. Und das würde für mich bedeuten, dass das Land Brandenburg nicht mehr mit einem blauen Auge aus der Schuldenkrise käme, sondern ein Auge betroffen wäre.
Ich bin mit einem blauen Auge davon gekommen und ich hoffe, dass die Bildung im Land Brandenburg auch mit einem blauen Auge davonkommt.
Unser Autor Dieter Wiedemann ist seit zehn Jahren Präsident der Hochschule für Film und Fernsehen Babelsberg. Er hat zahlreiche Publikationen zu Film und Fernsehen verfasst.
Dieter Wiedemann
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