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Unikate auf der Stange. Tine Schwenk achtet bei den von ihr designten Kleidungsstücken auch auf die Herkunft der Textilien. Die gebürtige Nürnbergerin vertreibt von Potsdam aus ihre Kindermode mit dem Label „Lieblingsstück“ an Kunden, die etwas Besonderes suchen.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Bio-Dirndl zum Wohlfühlen

Die Potsdamerin Tine Schwenk hat das Modelabel „Lieblingsstück“ gegründet Unter dem Namen fertigt sie individuelle Kindermode aus nachhaltigen Materialien

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Nein, das schwarze Kleid mit den roten Blumen, das Tine Schwenk an diesem Vormittag trägt, hat sie nicht selbst genäht. „Das letzte Kleid, das ich mir genäht habe, war eines zur Berliner Fashion Week“, sagt sie. „In der Nacht vorher“, fügt sie noch hinzu. Als wäre es eine Selbstverständlichkeit, in einer so kurzen Zeitspanne ein Kleid anzufertigen. Dann läuft Tine Schwenk durch ihre helle Wohnung in der Nauener Vorstadt, öffnet den Schlafzimmerschrank und holt es hervor: Ein hellgrünes, tailliertes Seidenkleid mit einer kleiner Schleife in der Mitte und silbernen Steinen am Hals. Man kann sich die fröhliche Frau mit den langen schwarzen Haaren sofort darin vorstellen. Sie hat ein kleines Schild ins Kleid genäht: „Lieblingsstück“ steht da, in Schreibschrift und kleinen Lettern. Es ist der Name des Labels, das Tine Schwenk selbst gegründet hat.

„Nähen war immer meine Leidenschaft“, sagt Tine Schwenk. Angefangen habe sie mit zwölf oder 13 Jahren – zunächst hat sie dann für sich Kleidungsstücke geschneidert, zum Beispiel ihr eigenes Brautkleid. Dann für ihre Tochter, später kamen Freunde und Bekannte hinzu. Das Ganze lief so gut, dass sie sich in ihrem Heimatort Nürnberg schon einmal mit der Näherei selbstständig machte. „Der Andrang war so groß, manchmal saß ich nächtelang an der Nähmaschine.“

Als sie dann einen Job in ihrem eigentlichen Beruf als Erzieherin fand, wurde das Nähen wieder zum Hobby. Mit Mitte 30 wurde sie unerwartet ein zweites Mal mit Sohn Noah schwanger. Sie ging in Elternzeit. Kurze Zeit später zog die kleine Familie in die dänische Hauptstadt Kopenhagen, in der ihr Mann als Geschäftsführer einer Firma arbeitete. Erst vor zweieinhalb Jahren kamen die Schwenks zurück nach Deutschland. Wegen der Nähe zur Hauptstadt fiel die Wahl auf Potsdam.

Vor einem Jahr dann hat sie die Passion erneut zum Beruf gemacht und das Modelabel Lieblingsstück gegründet: Schwenk fertigt Einzelstücke für Babys und Kinder, dabei verwendet sie Materialien aus nachhaltiger Produktion, einen Großteil davon erwirbt sie regional – etwa bei Texstile Potsdam in der Jägerstraße. Fleece, Walkloden-Wolle, Baumwolljersey, Leinen – das sind Stoffe, mit denen sie gerne arbeitet. „Ich benutze gerne warme, weiche Stoffe“, sagt Schwenk.

Die Kleidung verschickt sie in selbstgenähten Nesselsäckchen, verzichtet bewusst auf den Einsatz von Plastik. „Mit Lieblingsstück will ich mich von Mainstream-Marken wie H&M oder C&A absetzen“, sagt die Designerin. „Das sieht doch alles so gleich aus.“ Sie fertige Einzelstücke für besondere Anlässe: zum Schulanfang, zur Taufe, zum Geburtstag. „Ich möchte auch, dass das Kind, das meine Stücke trägt, merkt: ‚Das ist heute für mich ein ganz besonderer Tag.‘“

Die Lieblingsstück-Kleidung verkauft sie online. Bisher hat sie eine Herbst-/Winter- und eine Frühjahrs-/ Sommerkollektion erstellt. Auf einer kleinen Garderobenstange im Flur hängen die Kleidungsstücke: Eine Baggyhose mit Hund drauf und passender Jacke für Jungen, für Mädchen blau-weiß-gestreifte Schürzenkleider mit bunten Schmetterlingen. „Im Herbst nimmt man die Schmetterlinge ab und kann nur das Kleidchen tragen“, sagt Schwenk. So können die Sachen in verschiedenen Jahreszeiten zum Einsatz kommen. Ganz außen hängt ein kurzer Rock mit Latzträgern, dazu ein weißes Blusenshirt. „Eine Hommage an meine Heimat, eine Art Dirndl“, erklärt Schwenk.

Fünf bis sieben Stunden dauert das Nähen eines Kleidungsstücks. Ein Kleidchen etwa verkauft Schwenk für 79,90 Euro, der Mantel aus der aktuellen Winterkollektion kostet 200 Euro, ist damit aber auch das teuerste Stück.

Gleich nebenan befindet sich ein kleiner Nähraum, in dem Schwenk ihre Arbeiten fertigt. „Ich hab jetzt aufgeräumt. Wenn ich hier nähe, sieht es ganz anders aus“, sagt die 45-Jährige und lacht.

Als Schwenk mit ihrer Familie in der dänischen Hauptstadt wohnte, ging sie dreimal wöchentlich zum Dänischunterricht. „Jetzt spreche ich fließend Dänisch“, sagt Schwenk. Das Nordische, man findet es auch in ihrer Kollektion wieder. Die neue Herbst-/Winterkollektion, an der Tine Schwenk gerade arbeitet, soll den Namen „Hygge“ tragen. „Das kann man nicht genau ins Deutsche übersetzen“, erklärt sie, „aber es beschreibt ein Wohlgefühl. Und so sollte es doch auch in der Kleidung sein, dass man sich wohlfühlt.“ Oft findet sie in den Stilen nordischer Länder auch Inspirationen. „Die norwegische Farbenwelt gefällt mir gut.“ Und das kombiniert sie gerne mit den Stilen ihrer Heimat. „Skandinavisches Design kombiniert mit rustikalen Stoffen“, resümiert sie.

Junge Familien, die sich Gedanken über die Herstellung der Kleider machen, oder Großeltern, die ihren Enkeln etwas Besonderes schenken wollen: Das sind die Leute, die bei Lieblingsstück einkaufen. Jetzt will Tine Schwenk die nächsten Monate nutzen, ihr Label und ihren Online-Shop bekannter zu machen.

Im Herbst nimmt sie als Unternehmerin an einer Podiumsdiskussion mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Andrea Wicklein teil, im November stellt sie ihr Label auf dem Designmarkt Elbrausch in Flensburg vor. Eines schließt sie jedoch fürs Erste aus: Die Eröffnung eines Ladens. „Ich sehe, wie oft in der Innenstadt Läden aufmachen – und dann wieder schließen“, sagt sie. So bleibt es beim eigenen Kreativraum in der Nauener Vorstadt.

www.lieblingstueck-kindermode.de

Anne-Kathrin Fischer

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