Landeshauptstadt: Biologische „Drucksituation“
Freundin hatte Darmprobleme, Angeklagter fuhr ohne Erlaubnis
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Freundin hatte Darmprobleme, Angeklagter fuhr ohne Erlaubnis Von Gabriele Hohenstein Sebastian S. * (27) wollte ein paar Euro sparen. Dass Geiz ganz und gar nicht geil ist, wie es die Werbung verspricht, sah der Wachmann spätestens bei der gestrigen Gerichtsverhandlung. Wird das Urteil gegen den Potsdamer rechtskräftig, ist er um 300 Euro ärmer. Die Geschichte klingt so: Sebastian S. mietete am 15. November 2003 einen Transporter und belud ihn mit seinem Mobiliar, weil er umziehen wollte. Die alte Wohnung Am Stern war nur unwesentlich von der neuen Bleibe entfernt. Chauffeurin der Fuhre sollte die Freundin des Mannes sein. Doch die litt an jenem Tag unter Darmproblemen. „Sie saß schon eine halbe Stunde auf der Toilette. Das hat mir einfach zu lange gedauert“, begründet Sebastian S. den Griff zum Zündschlüssel. Obwohl er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, habe er sich entschlossen, einfach Gas zu geben. „Aber ich bin nicht weit gekommen. Die Polizei hat mich schon an der nächsten Ecke angehalten.“ Der Verteidiger spricht von einer „nachvollziehbaren Motivlage“. „Mein Mandant hat wenig Geld. Da schlagen vergeudete 30 Minuten für einen Mietwagen schon zu Buche.“ Er regt an, das Verfahren einzustellen. Damit beißt er bei der Vorsitzenden allerdings auf Granit. „Die meisten Straftaten sind nachvollziehbar“, gibt sie jahrelange Berufserfahrung preis. „Ich kenne Fälle, wo der Vater ein plötzlich erkranktes Kind zum Arzt bringt, obwohl er keine Fahrerlaubnis besitzt.“ Da könne man von einer notstandsähnlichen Situation sprechen. „Aber Ihr Mandant wollte schlichtweg Geld sparen. Er hätte die halbe Stunde warten müssen, die die Lebensgefährtin auf dem Topf verbringt oder sich um einen Ersatzfahrer bemühen müssen“, stellt die Richterin klar. Doch so leicht gibt sich der Verteidiger nicht geschlagen. Er spricht von einer „biologischen Drucksituation“, und der Schwierigkeit, schnell einen Kumpel zu finden, der das Hab und Gut von Sebastian S. in die neue Wohnung transportiert. Die Staatsanwältin kann sich dieser Argumentation nicht gänzlich verschließen. „Ich wäre mit einer Verfahrenseinstellung einverstanden“, erklärt sie. „Aber ich nicht!“, wirft die Vorsitzende ein. Der Verteidiger stellt in Aussicht, bei einem Urteil umgehend Berufung einzulegen – und muss schon wieder einen Rüffel einstecken. Es sei fast standeswidrig – so die Richterin – schon vor dem Urteilsspruch Rechtsmittel anzukündigen. Die Vertreterin der Anklage plädiert nun auf eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 20 Euro – eine Sanktion, der sich das Gericht anschließt. Somit dürfte das Verfahren wohl in die zweite Instanz gehen. (*Name von der Redaktion geändert.)
Gabriele Hohenstein
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