Landeshauptstadt: Blaupunkt-Radios und Bernsteinmosaik
Nach 30 Jahren Ganovenjagd hat Gunter Mewes Respekt vorm Ruhestand
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Nach 30 Jahren Ganovenjagd hat Gunter Mewes Respekt vorm Ruhestand Von Peter Könnicke Gunter Mewes ist überzeugt, dass Ganoven viel Zeitung lesen. Seit exakt beschrieben wurde, wie man DNA-Spuren sichert, finde man an Tatorten nur noch leere Aschenbecher, ärgert sich der Potsdamer Soko-Chef über offene Geheimnisse. Als er Anfang der 90er Jahre in Königs Wusterhausen ein Räuber-Pärchen festnahm, fand er bei ihnen sämtliche Presseartikel, die über den Fall geschrieben worden waren. „Die wussten bestens Bescheid.“ Und als nach der Wende die BILD schrieb, im Osten sei ein Banküberfall ein genauso leichtes Unterfangen wie Brötchenholen, ließ die Bestätigung nicht lange auf sich warten: Banküberfälle hatten Konjunktur und Mewes als Leiter des Kommissariats für Raub und Erpressung alle Hände voll zu tun. 78 Banküberfälle landeten bis zum April 1992 auf seinem Tisch. Höhepunkt waren drei Raubzüge an einem Tag. „Ich war immer etwas reserviert gegenüber der Presse“, meinte Gunter Mewes gestern gegenüber Journalisten, denen er nach 30 Jahren seinen Abschied vom Dienst verkündete. Und selbst beim Rückblick auf drei Jahrzehnte Ganovenjagd gibt er nicht jedes Detail seiner Ermittlungserfolge preis. „Feeling“ müsse man entwickeln, Puzzlearbeit machen, Erfolgsdruck aushalten. Und wohl die Gelassenheit eines „alten Hasen“ haben: „Das perfekte Verbrechen gibt es nicht. Es gibt immer Spuren.“ Wissen allein mache noch keinen guten Kriminalisten, „man braucht Lebens- und Berufserfahrungen. Trotz seiner Zurückhaltung gegenüber der Presse hat Mewes etliche Artikel gesammelt, die über seine spektakulären Fälle berichten. Das mitunter schon vergilbte Papier ist Indiz, dass seine Arbeit schon vor 20 Jahren Aufmerksamkeit erregte. So berichteten die Brandenburgischen Neuesten Nachrichten im Juli 1986, wie nach einem Raub von 30000 Mark aus dem Panzerschrank eines Fahrländer Betriebes seine Spürnase die Ermittlungen in den Süden der Republik lenkte, wo er den Täter festnahm. In 30 Jahren Polizeidienst hat Mewes alle Seiten des Verbrechens gesehen: Überfälle, Mord, Geiselnahme, Einbrüche, Diebstähle. Sein erster Fall war eine Einbruchserie in Autos, aus den Blaupunkt-Radios gestohlen wurden. Die Spur führte zu russischen Soldaten, deren Kommandeur Beförderungen von der Anzahl der geklauten Radios abhängig machte. Mewes Bilanz beinhaltet keine Zahlen aufgeklärter Fälle oder verhafteter Verbrecher. „Einige hartnäckige Täter wurden zur Strecke gebracht“, so der Rückblick des 60-Jährigen. Er spricht dabei nicht in der Ich-Form. „Erfolge hat man nur im Team.“ Schon vor 20 Jahren wurde er so zitiert: „Das größte Engagement nützt nichts, ohne die Hilfe der Mitarbeiter.“ „Stellt mich nicht als Helden hin“, diktiert er. Vielmehr sagt er: „Ich bin eine Arbeitsbiene.“ Dabei gäbe es ausreichend Grund, auf eine erfolgreiche Karriere zu verweisen. Denn vor neun Jahren steckte hinter dem spektakulären Fund eines Mosaiksteins aus dem Bernsteinzimmer und der erfolgreichen Fahndung nach dem gestohlenen Caspar-David-Friedrich-Gemälde „Ansicht eines Hafen“ die intensive Arbeit des Ermittlers Mewes, der die Soko „Hafen“ führte. Bereits bei der Spurensuche nach dem Gemäldeklau aus dem Potsdamer Schloss Charlottenhof war Mewes überzeugt: „Das können keine Profis gewesen sein. Schon das Aufbrechen des Fensters war stümperhaft.“ Mewes saß neben dem Staatsanwalt im Auto, als sie ein Mittelsmann und Ex-Stasi-Offizier kreuz und quer durch Potsdam lenkte und schließlich zu einer Garage mit dem versteckten Gemälde führte. Und Mewes sollte mit seinem Täterprofil Recht behalten: Die Diebe waren kleine Nummern. Als der Informant behauptete, dass zudem auf dem „grauen Kunstmarkt“ ein Mosaik aus dem Bernsteinzimmer angeboten werde, schien das den Potsdamer Ermittlern wenig glaubhaft. Vor allem Potsdams inzwischen pensionierter Kripochef und von der Presse als „Superbulle“ gefeierte Peter Schultheiß ging davon aus, dass das Bernsteinzimmer vernichtet ist. Mewes indes ist überzeugt: „Es existiert noch.“ Bekannt von dem Fall um das Bernstein-Mosaik ist, dass Schultheiß als Scheinkäufer vor einem Bremer Notar erschien, beim Anblick des Mosaiks seinen Dienstausweis zückte und das Kunstwerk beschlagnahmte. Was kaum einer weiß: Zur gleichen Stunde brachen Polizisten zusammen mit Mewes die Tür zu der Wohnung eines Bremer Rentners auf, dessen Vater als Wehrmachtsoffizier das Mosaik an sich gebracht hatte und es seinem Sohn vererbte. Der erkannte erst Jahre später, 1991, nach einem Fernsehbeitrag die Bedeutung des Erbstücks und wollte das gestohlene Kunstwerk fortan zu Geld machen. 2,5 Millionen Dollar waren sein Preis. Als Mewes in die Wohnung drängte, besprühte „Mister X“, wie der Rentner genannt wurde, den Potsdamer Polizisten mit Mückenspray. „Persönlich sehr erschüttert“ hat Mewes die Entführung und der Tod des Geltower Gastwirt-Sohns Matthias Hintze. Die Polizei hatte nie eine Chance: Als die Lösegeldforderung der Entführer einging, war der 20-Jährige bereits tot – qualvoll erstickt in einem Erdloch. „Ich war dabei, als er ausgegraben wurde“, erinnert sich Mewes an den Herbst 1997. Nach 30 Jahren quittiert er nun den Dienst. Er würde gern noch zwei Jahre ranhängen. Doch muss er mit 60 Jahren aus dem operativen Dienst ausscheiden. Er stand immer auf Abruf. Vor der Wende hat er den Weihnachtsbaum schon immer zwei Tage vor dem 24. Dezember geschmückt, weil er wusste, dass vor allem Paketfachanlagen zu dieser Zeit alles andere als heilig und Päckchen aus dem Westen begehrte Beute waren und sein Einsatz vor Ort gefordert wurde. „Ich weiß nicht, wie ich die Ruhe verkrafte,“ sagt er. Und schelmisch fügt er hinzu: „Ich werde viel Zeitung lesen.“
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