Landeshauptstadt: Blick auf einen Charakter mit Brüchen
Pepe Pippig dreht im Schloss Marquardt eine Dramadoku über Lotte Ulbricht für den MDR
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Ein dunkler Schreibtisch mit Stempelkarussel, dicke Aktenordner in den Schränken, erdrückende graue Wände, gepaart mit schweren braunen Holzmöbeln. Mittendrin das Ehepaar Ulbricht, das glücklich strahlend ein kleines Mädchen mit blonder Flechtfrisur in die Arme schließt. Zwei Minuten später wird die Kleine durch ihre Zwillingsschwester ersetzt, alles auf Anfang, die gleiche Szene noch mal. Denn die fröhliche Familienzusammenführung ist eigentlich ein Dreh für eine Folge der 17. Staffel „Geschichte Mitteldeutschlands“ des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), der am Donnerstag im Schloss Marquardt stattfand.
Im Fokus der gerade produzierten Folge steht Lotte Ulbricht, die Ehefrau von Walter Ulbricht, mit der er Ende der 1940er-Jahre die damals zweijährige Maria Pestunowa adoptierte. Eine Schlüsselszene der Dramadokumentation, denn die Produktion beleuchtet unter anderem auch die schwierige Beziehung zwischen Mutter und Tochter, wie Regisseur Pepe Pippig erklärte. Aufhänger dafür ist ein Interview mit Beate Ulbricht aus dem Jahr 1991, in dem sie vor allem gegen ihre Mutter schwere Vorwürfe erhebt, was ihre Erziehung angeht. So soll sie unter der starken Strenge sehr gelitten haben und wurde in der Schule wegen ihres spießigen Kleiderstils gemobbt. Außerdem brachen die Eltern den Kontakt völlig ab, als sie sich in den 60er-Jahren in den Sohn eines italienischen KP-Funktionärs verliebte.
Wie Pippig sagte, warf dieses Interview ein völlig neues Licht auf Lotte Ulbricht, die zwar als korrekt und streng bekannt war, auf der anderen Seite aber auch über eine faszinierende Medienpräsenz verfügte. „Sie war eine Frau, die alles bekommen hat, was sie wollte und sich gleichzeitig voll in ihr Rollenbild als Frau in der DDR eingefügt hat“, so der Regisseur, der schon 16 Folgen für die Fernsehreihe gedreht hat. „Diese vielen Facetten, diesen Bruch, den sie in ihrem Charakter vereinte, den wollen wir aufzeigen.“ Dafür sei das Genre der Dramadokumentation, also eine Mischung aus Spielszenen, Archivmaterial und Interviews, mit Zeitzeugen genau das richtige Genre, wie der 42-Jährige sagte. Aus den vielen historischen Funden könnte man ganz wunderbar auf Details schließen und diese in den gespielten Szenen weiterspinnen. „Da entstehen dann vielleicht auch Gespräche, die es so nie gegeben hat“, so Pippig. „Aber man kann damit wunderbar in die Zeit abtauchen und das Kopfkino der Zuschauer anregen.“
Insgesamt acht Drehtage nimmt die „Lotte Ulbricht“-Folge in Anspruch, zwei davon im Schloss Marquardt. Eine Kulisse, die vor Kurzem auch Steven Spielberg für seinen neuen Agentenfilm nutzte. „Das ist absolut super hier“, schwärmte auch der erste Aufnahmeleiter Tilo Gläßer. „Das Schloss bietet im oberen Stockwerk die perfekten Räumlichkeiten für alle unsere Szenen.“
Für ihre Rollen haben sich die Schauspieler intensiv vorbereitet. Stella Hilb, die Schauspiel an der Filmuniversität Potsdam studierte, und Luise Schälike, die eine Freundin von Lotte spielt, haben sich dabei über die Familiengeschichte an ihre Figuren herangetastet. Walter Ulbricht-Darsteller Stephan Boden hingegen bekam von seinem Schwiegervater gleich zwei Biografien über den DDR-Politiker zugeschickt. Die hätten ihm, genau wie das viele Archivmaterial, sehr für die Erschließung der Rolle geholfen. Im Hinblick auf den so typischen sächsischen Akzent von Ulbricht hält er sich allerdings beim Spielen etwas zurück, wie er sagte. „Man droht sonst schnell in eine Art Klischee abzurutschen“, so der Schauspieler, der sich für seine Rolle einen Spitzbart rasieren lassen musste. So etwas blieb Lotte-Darstellerin Angeline Anett Heilfort erspart, dafür muss sie für ihre Maske eine Stunde in der Maske sitzen. Das Kostüm – stilecht in verschiedenen Brauntönen – anzulegen dauert hingegen nur 20 Minuten, trägt aber einen nicht unwichtigen Anteil zur Rollenentwicklung bei, wie Heilfort sagte. „Man bewegt sich schon ein wenig anders in den Sachen“, gab sie lachend zu. „Schon allein über eine Bierbank zu steigen, gestaltet sich als etwas schwierig.“ Sie persönlich glaube nicht, dass Lotte eine Rabenmutter gewesen sei. Ihr sei der Charakter durch den Dreh eher sympathischer geworden, was die Familie der Schauspielerin bestätigte, wie sie erzählte: „Meine Oma kannte sie persönlich und sie meinte, dass sie zwar direkt, aber freundlich gewesen sei.“
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