FRANKFURTER BUCHMESSE: Blindstelle
FRANKFURTER BUCHMESSE Über die Familie scheint alles gesagt, die Biografen haben die Manns gründlich durchleuchtet. Oder nicht?
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FRANKFURTER BUCHMESSE Über die Familie scheint alles gesagt, die Biografen haben die Manns gründlich durchleuchtet. Oder nicht? Viola Roggenkamp erstaunt ein blinder Fleck im Umgang mit dem deutschen Star-Dichter Thomas Mann: „Das Jüdische“ seiner Frau und seiner Kinder sei von der Nachwelt ignoriert worden. Warum hat sich etwa der Filmemacher Heinrich Breloer davor gedrückt, mit Elisabeth Mann Borgese über ihre jüdische Mutter zu sprechen, warum hat die Literaturwissenschaftlerin Irmela von der Lühe das Thema in ihrem Porträt von Erika Mann umschifft? Während über die Homosexualität bei den Manns offen gesprochen wird, herrscht Verklemmung, wenn es um deren jüdische Wurzeln geht. Passiert das „absichtlich“ oder „auf unheimliche Weise“? fragt Roggenkamp. Die Tabuisierung beginnt in der Familie selbst, wie das Buch am Beispiel der Schauspielerin und Journalistin Erika Mann zeigt. Des Dichters „kühnes, herrliches Kind“, wie er sie nannte, „wollte von ihrem Jüdischsein wahrscheinlich nichts wissen“. Der Nachwelt ist das gerade Recht. Sie löscht Worte wie „Jude“ und „jüdisch“ gerne aus, kennt auch Albert Einstein oder Rosa Luxemburg nur als große Deutsche, aus scheinbarer Toleranz, wie Roggenkamp schreibt. Es reiche doch aus, von Verfolgten oder Widerstandskämpfern zu sprechen, werde gesagt: „Als würde die Unterscheidung durch das Wort ,jüdisch'' in die Selektion zurückführen, in das Unheimliche von damals.“ Das Buch zeigt eine neue Seite der Manns. Doch vor allem konfrontiert es die Deutschen mit sich selbst. Anja Kühne Viola Roggenkamp: Erika Mann. Eine jüdische Tochter. Über Erlesenes und Verleugnetes in der Familie Mann-Pringsheim. Arche-Verlag, Hamburg. 256 Seiten, 19,90 €.
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