Neulich in der MENSA: Böhmische Dörfer
Wenn man in diesen Tagen in der Mensa der Fachhochschule am Alten Markt sitzt, kommt man nicht umhin, sich Gedanken zu machen. Wie von einer Tribüne aus fällt der Blick auf die Brache.
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Wenn man in diesen Tagen in der Mensa der Fachhochschule am Alten Markt sitzt, kommt man nicht umhin, sich Gedanken zu machen. Wie von einer Tribüne aus fällt der Blick auf die Brache. Im sanften Novemberlicht liegen die Steine des Anstoßes. Über vier Millionen Euro sollen da unten schon verbuddelt worden sein, ohne dass man viel davon sieht. Nun gut, seitdem das Fortuna-Portal dort steht, und der Platz mit chinesischem Granit ausgelegt wurde, ahnt man zumindest etwas von seiner einstigen Größe. Doch da der Plan mit dem Landtag nun in sehr, sehr weite Ferne gerückt ist, zeigt sich die Brache wieder von ihrer schmuddeligen Seite. Hier und da wird gegraben und gebaggert. Mitten hindurch ziehen die Autos ihre Bahn, als sei nie etwas gewesen. Manch einer scheint geradezu mit höhnischem Grinsen auf die Lücke in dieser Stadt zu schauen, als ob es Potsdam Recht geschehe, dass hier jahrzehntelang nichts zu Wege gebracht wurde. So ein Blick, der sagt: ätsch, jetzt hat die DDR doch Recht behalten, das Schloss zu schleifen. Andere, die nach vorne denken, deuten mehr in die Lücke hinein. Wenn schon kein Landtag, dann wenigstens eine Uni. Die hätte ohnehin hier hergehört, auch wenn dieser Zug längst abgefahren scheint. Doch man soll nie sagen, dass schon aller Tage Abend ist. Und vielleicht finden die Archäologen, die dort unten im ehemaligen Schlossfundament graben, noch ganz unerwartete Dinge. Schließlich sollen vor den Preußen einst slawische Siedler hier gewesen sein. Wer weiß, am Ende stößt man noch auf die Überreste eines Böhmischen Dorfes. Das würde ja passen. W. Kotti
W. Kotti
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