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Neulich in der MENSA: Bologna ist eine schöne Stadt

Am Nebentisch sitzen zwei noch sehr junge Studentinnen. Sie sprechen recht ernst miteinander.

Stand:

Am Nebentisch sitzen zwei noch sehr junge Studentinnen. Sie sprechen recht ernst miteinander. „Wenn wir erst einmal 30 sind, sehen wir aus wie 60“, sagt die eine. „Gestern habe ich ein paar Freunde getroffen, die haben mich gefragt, ob ich mit zum Paddeln komme“, antwortete die andere. Sie habe wieder einmal absagen müssen. Weil sie das ganze Wochenende lernen muss. Und dabei würde sie so gerne mal wieder Party machen. Sie sei schon ganz krank von dem Stress. „Irgend etwas machen wir falsch“, sagt ihre Freundin. „Manchmal habe ich Angst etwas zu verpassen“, sagt sie bedrückt. „Vom Studium?“ „Nein, vom Leben!“. Da erst wurde mir klar, dass die beiden über ihr Studium sprechen. Jetzt einmal Hand aufs Herz, welcher Diplom- oder Magisterstudent klagte bislang ernsthaft darüber, etwas vom Leben zu verpassen? Wenn man etwas verpasste, war es höchstens eine Vorlesung. Bologna ist ja eine sehr schöne Stadt, schade nur, dass ihr Name nun auf ewig mit der europäischen Studienstrukturreform assoziiert wird. Bachelor- und Masterstudium sind stark verschult, prüfungslastig und lassen keine Luft zum Atmen. Die Studierenden durchlaufen einen uniformen, stark durchstrukturierten und ökonomisierten Lernkorridor. Am Ende brechen angeblich weniger ihr Studium ab. Aber ohne Freiraum, bleibt auch kein Platz für Neugier und Kreativität – den eigentlichen Motivationen jeglicher Wissenschaft. Das hat Bologna nicht verdient. Und die beiden Studentinnen erst recht nicht. W. Kotti

W. Kotti

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