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Landeshauptstadt: Bombenfund legte Innenstadt lahm

Schwierige Evakuierung und lange Staus, aber kürzere Arbeits- und Schulzeit nach Bombenfund an der Humboldtbrücke

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Die Bombe musste sofort entschärft werden. Das entschied Manuel Kunzendorf, Sprengmeister beim Staatlichen Munitionsbergungsdienst gestern, nachdem der Blindgänger bewegt wurde. Ein Baggerfahrer hatte am Vormittag eine 250 Kilogramm schwere englische Fliegerbombe mit Erdreich aus der Baugrube an der Humboldtbrücke gehoben und die Schaufel mit der explosiven Fracht ausgeschüttet. Der auf einen Schlag reagierende mechanische Zünder sei durch den Sturz zur zusätzlichen Gefahr geworden und hätte ohne Aufschub unschädlich gemacht werden müssen.

Der Krisenstab der Stadt war daraufhin zusammengekommen und hatte die sofortige Evakuierung des Gebietes im 800 Meter-Umkreis der Bombe eingeleitet. Rund 7800 Menschen im Gebiet Zentrum-Ost, aber auch Bewohner auf der gegenüberliegenden Seite der Havel mussten ihre Häuser verlassen. Außerdem betroffen waren der Kulturstandort Schiffbauergasse, Kindertagesstätten und Schulen, Firmen und Einrichtungen. Vom Sperrkreis ausgenommen worden ist das Klinikum Ernst von Bergmann, welches bislang zwei Mal wegen Bombenfunden evakuiert werden musste.

Mehrere hundert Kräfte von Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt informierten die Bürger. Im Malteser Treffpunkt Freizeit wurde eine Aufenthaltsmöglichkeit eingerichtet. Die insgesamt 900 Schüler aus den drei betroffenen Schulen – Lenné-Gesamtschule, Grundschule Am Humboldtring sowie Luxemburg-Grundschule – freuten sich über das unerwartete Schulfrei. Für sie endete der Unterricht verfrüht gegen Mittag. Der Energieversorger, die EON edis AG mit Verwaltungssitz in der Berliner Straße, forderte die rund 400 Mitarbeiter auf, Arbeitsplatz und Gelände zu verlassen, sagte Pressesprecher Horst Jordan. Auch sie hatten einen frühen Feierabend. Und dies noch vor den Straßensperrungen, die nach 16 Uhr erfolgten. Unter anderen war die Nuthestraße zwischen Berliner- und Friedrich- List-Straße komplett abgeriegelt. Auch der öffentliche Nahverkehr war während der Sperrzeit unterbrochen. Bis zum Abend hin staute sich der Verkehr im gesamten Innenstadt-Gebiet, teilweise ging nichts mehr.

„Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei“. Mit Megaphon fuhren Streifenwagen durch die Wohnviertel im Sperrkreis und forderten die Bevölkerung auf, ihre Wohnungen zu verlassen. „Für uns war der Freizug ein beschwerlicher Akt“, sagte Hendrik Bössenrodt, Geschäftsführer der Residenz Heilig Geist Park. In dem Seniorenstift am Havelufer leben zurzeit 120 alte Menschen; einige darunter, die auf den Rollstuhl angewiesen oder sogar bettlägerig seien. Als der Residenzchef informiert wurde, habe er sofort die Feuerwehr verständigt. „Gemeinsam haben wir beraten, wer einen Krankentransport benötigt“, erzählte Bössenrodt.

Es waren vor allem die vielen Transportanforderungen, die den Abschluss der Evakuierung um beinahe drei Stunden verzögerten. Über 200 Menschen hätten bei der Feuerwehr und der Stadt einen Wagen angefordert, sagte Rita Haack, Pressesprecherin der Stadtverwaltung. Kurz bevor Sprengmeister Kunzendorf gegen 18.50 Uhr ans Werk gehen konnte, wurde noch eine 96-Jährige aus ihrer Wohnung geholt. Im Hans Otto Theater (HOT), das ebenfalls in der Sperrzone lag, wurde die gestrige Aufführung der „Jüdin von Toledo“ abgesagt. Beginn sei zwar erst um 19.30 Uhr gewesen, aber eine Vorstellung habe ja auch einen gewissen technischen Vorlauf, sagte Georg Kehren vom HOT. Man habe sich „schweren Herzens“ dazu entschieden, aber durch eine angekündigte Absage verärgere man einfach weniger Leute als mit einem unerwartet geschlossenen Theater, so der Sprecher. Die Inhaber eines Theater- Abonnements habe man telefonisch informiert. Alle anderen Karteninhaber können mit einem Gutschein eine der nächsten Aufführungen besuchen, so Kehren.

„Wegen Bombenentschärfung auf unbestimmte Zeit geschlossen“, war auf ein Pappschild geschrieben, das auf die Eingangstür eines Discounters an der Berliner Straße geklebt war. Drinnen alles dunkel, wie die Kunden feststellen mussten, die trotz Schild noch einen Blick durch die Scheibe warfen.

Der Bombenfund überraschte Hans- Werner Mihan, Verfasser des Buches „Die Nacht von Potsdam“, nicht. Er habe das Gebiet entlang der Havel – am Fuße von Zentrum Ost bis zum Babelsberger Park– schon vorher als möglichen Blindgänger-Fundort gekennzeichnet. „Da könnte auch noch mehr liegen“, so Mihan.

In der Verwaltung atmete man unterdessen um 19.50 auf, als die Sperrungen aufgehoben wurden. „Bombenentschärfung Humboldtbrücke erfolgreich abgeschlossen“, meldete die Pressestelle daher kurz darauf. Eine ganz gewöhnliche britische Bombe war es allerdings laut Manuel Kunzendorf nicht. Der Sprengkörper habe eine für britische Bomben ungewöhnliche Schweißnaht, so Kunzendorf, der Ende April in Potsdam seinen 500. Blindgänger entschärft hatte.

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