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Landeshauptstadt: Bombenopfer der Anonymität entrissen

Jungvermählte legen zum Gedenken an die Toten ihren Brautstrauß nieder

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Jungvermählte legen zum Gedenken an die Toten ihren Brautstrauß nieder Von Erhart Hohenstein Auf dem Bombenopferfeld II des Neuen Friedhofs, auf dem vor allem die Toten des englischen Luftangriffs vom 14. April 1945 beigesetzt sind, findet der Besucher immer wieder Blumengrüße. Dazu tragen seit einigen Jahren auch Jungvermählte bei, die hier ihren Brautstrauß niederlegen. Eine bewegende Geste, um der Opfer von Krieg und Gewalt zu gedenken, erklärt dazu Gartenbauingenieur Gunther Butzmann, der Bereichsleiter Friedhöfe. Er wünsche sich, dass diese Sitte viele Nachahmer findet. Die zwei Bombenopferfelder, die mit dem Kriegerhain für die Gefallenen der beiden Weltkriege und den Gräbern ausländischer Zwangsarbeiter die Kriegsgräberstätte auf dem seit 1866 bestehenden Friedhof bilden, sind in jüngster Zeit stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Immer häufiger kommen heute weit verstreut in Deutschland und im Ausland lebende Nachfahren, um die Toten zu ehren. Mitte der 70er Jahre hergerichtet, bestanden die Felder aus weiten Rasenflächen ohne Kennzeichnung der einzelnen Grabstätten. Am Bombenopferfeld II wurde ein von dem Caputher Steinmetz Kurt Rudolph geschaffener Gedenkstein aufgestellt. „Er trifft also nicht zu, dass wir uns in der DDR-Zeit nur um die sowjetischen Soldatengräber gekümmert hätten“, stellt Gunther Butzmann klar. Grabsteine mit den Namen der Opfer aufzustellen, sei damals mangels Geld und Material allerdings nicht möglich gewesen. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurden Erhaltung und Pflege der Kriegsgräber gesetzlich neu geregelt. Seitdem wird sie von Bund und Land durch eine jährliche Pauschale unterstützt. Im Vordergrund steht dabei die Rettung gefährdeter Grabmale. Dazu zählten die inzwischen komplett restaurierten beziehungsweise erneuerten 308 Grabsteine des Sowjetischen Ehrenfriedhofs auf dem Bassinplatz, der 1994 beim Abzug der Besatzungsmacht von Militärkommandant Oberstleutnant Kamalow förmlich an den damaligen Oberbürgermeister Gramlich übergeben worden war. Die Urkunde darüber bewahrt Gunther Butzmann in seinem Büro auf dem Alten Friedhof auf. Zurzeit werden Schritt für Schritt die Gräberfelder des sowjetischen Militärfriedhofs an der Michendorfer Chaussee rekonstruiert. Grundlage dafür ist das deutsch-russische Abkommen zur Erhaltung und Pflege der Kriegsgräber. Die staatliche Unterstützung und das Engagement Butzmanns ermöglichten aber auch, die Potsdamer Opfer der Bombenangriffe der Anonymität zu entreißen. Dabei wählte der Bereichsleiter die Variante, in der Diagonale von je sechs Gräbern einen Stein mit den Namen aufzustellen. 1993 geschah dies für das Bombenopferfeld I, auf dem 330 Kriegsopfer der Angriffe bis zum Jahr 1943 ruhen, in Form von Granitkreuzen. 1995 wurden für das Feld II mit 1311 Toten Grabstelen aufgestellt. Es erscheint erstaunlich, aber selbst in den letzten Kriegstagen mit Bombenangriff und Beschuss durch die Rote Armee wurde das Sterberegister akribisch weitergeführt und hat sich bis heute erhalten. Das Datum 14. April 1945 nimmt in den handschriftlichen Eintragungen des Foliobandes mehr als ein Dutzend Seiten ein. Dennoch sind fast ein Fünftel der Bestatteten „unbekannte Tote“. Als während des englischen Bombenangriffs die Bewohner mancher Häuser komplett ausgelöscht wurden, befanden sich darunter viele Flüchtlinge, die nicht polizeilich gemeldet waren. Auch die Verstümmelung der Leichen ließ manchmal keine Identifizierung zu. Die Kriegsgräberstätte auf dem Neuen Friedhof befindet sich heute „in einem würdigen Zustand, der dem Gedenken an die Opfer gerecht wird“, stellt Gunther Butzmann fest. Dazu hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge durch materielle und ideelle Unterstützung wesentlich beigetragen. Erst vor kurzem widmete sich sein brandenburgischer Jugendarbeitskreis in einem Einsatz wieder der Grabpflege. Dass sich heutzutage junge Leute für diese Aufgabe einsetzen, halte er für außerordentlich bemerkenswert, kommentiert Butzmann. Die Kriegsgräberstätte wird am Sonntag, 16. November, Ort der offiziellen Feier zum Volkstrauertag sein. Nach einer Ansprache von Oberbürgermeister Jann Jakobs auf dem Ehrenfriedhof Bassinplatz (11 Uhr) beginnt 11.45 Uhr die Gedenkfeier in der Großen Trauerhalle des Neuen Friedhofs. Redner ist der polnische Botschafter Andrzej Byrt. Zur anschließenden Totenehrung spricht auf der Kriegsgräberstätte Stadtkirchenpfarrer Martin Vogel Worte des Gedenkens.

Erhart Hohenstein

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